»Термины, понятия и категории в музыковедении«. Четвертый международный конгресс Общества теории музыки / »Musikologische Begriffe, Konzepte und Kategorien«, Vierter Internationaler Kongress der Russischen Gesellschaft für Musiktheorie

N. Zhiganov Konservatorium Kazan

2.-5.10.2019


Tagungsprogramm


Sergej Nikiforov und Gesine Schröder


Nach Kongressen in Sankt Petersburg (2013) und in Moskau (2015 und 2017) trug die 2011 gegründete Russische Gesellschaft für Musiktheorie OTM ihren vierten Kongress Anfang Oktober an dem nach dem tatarischen Komponisten Nasib Zhiganov genannten, seit 1945 existierenden Konservatorium in Kazan, der Hauptstadt der autonomen russischen Republik Tatarstan, aus. Der Kongress diente der Vorbereitung der von mittlerweile acht europäischen Musiktheorie- und Analysegesellschaften organisierten, in durchschnittlich dreijährigem Abstand veranstalteten Europäischen Musikanalysekonferenz EuroMAC, welche im September 2020 das erste Mal in Russland stattfinden wird (am Tschaikowski-Konservatorium Moskau). Wie der Präsident der OTM, Alexander Sokolov, in seiner Eröffnungsrede angab, hatte man sich für Kazan die Aufgabe gestellt, erstens die vielfältigen Wortneuschöpfungen zu diskutieren, mit denen moderne Komponisten über eigene Werke sprechen, zweitens eine echte Terminologie zu entwickeln, die insbesondere die Untersuchung von Musikkulturen der jüngeren Vergangenheit erlaubt, und drittens terminologische Anleihen aus verwandten Wissensgebieten zu machen.

Die insgesamt 90 Vorträge und 25 Posters ließen ahnen, warum »Tausende […] sich jährlich in Russlands Wäldern« verirren (Moskauer Deutsche Zeitung Nr. 18 (505), 26.09–09.10.2019, 1). Von Fragen zur Terminologie in Studien zur Musik des Mittelalters reichten die Sektionen des Kongresses bis zu konzeptuellen Rahmenbedingungen für die Erforschung von Musik der Gegenwart, zu Begriffsapparaten in verschiedenen nationalen Traditionen und eher am Rande auch bis zu Fragen zur musiktheoretischen Erfassung und Vermittlung von Form, Harmonie, Timbre oder Modus. Neben einigen nicht-russischen Vortragenden – aus Brasilien, Bulgarien, China, Deutschland, Frankreich, Israel, Kasachstan, Litauen, den Niederlanden, den USA und Weißrussland – kamen die meisten russischen Teilnehmer*innen aus Kazan und aus Moskau. Die Transliteration des Kyrillischen folgt in diesem Bericht entweder Schreibweisen, die sich im deutschsprachigen Gebiet eingebürgert haben, oder sie nimmt die (in den meisten Fällen amerikanischen) Schreibweisen auf, die von der Kongressleitung gewählt worden waren.

Dass man sich in der Vielvölkerregion des mittleren Wolgagebiets befand, ließen manche Themen gegenwärtig werden. So sprach Alexander Maklygin, Vorstand der Abteilung Komposition und Musiktheorie am gastgebenden Konservatorium, davon, dass man in den ersten drei sowjetischen Dekaden die Bedeutungsfelder der »europäischen« (das heißt hier der nicht-russischen europäischen), oft aufs Griechisch-Lateinische zurückgehenden Terminologie in Korrelation zu einheimischen musikalischen Termini zu bringen suchte und dass man nicht selten neue Wörter erfand, die die Termini der verschiedenen Ethnien verbinden sollten. Umitzhan Dzhumakova aus dem kasachischen Nur-Sultan berichtete von der Schwierigkeit, Tatjana Dubravskayas Lehrbuch zur Polyphonie von 2008 vom Russischen ins Kasachische zu übersetzen. Gestützt auf Material aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert diskutierte Guzel Saifullina (Amsterdam) tatarische musikalische Termini. Von den Chancen, die sich aus Verschiebungen bei Übersetzungen von Fachbegriffen ergeben, sprach unter anderem Anna Maklygina (Kazan). Sie hatte die Wörter gesammelt, mit denen Edgard Varèse Klangphänomene der eigenen Musik beschrieben hatte. Sodann beleuchtete sie Analysen dieser Stücke von der einheimischen (russisch-tatarischen) Tradition her.

Von der Suche nach nationaler Identität oder regionaler Abzirkelung im Reden über Musik berichtete Oksana Dobzhanskaya (Jakutsk) am Beispiel musikalischer Termini in der russischen Republik Sacha (Jakutien). Für eine Adaption des traditionellen Toyuk-Stils zog sie ein Stück des jakutischen Komponisten Kirill Gerasimov heran. Emilia Kolarova (Sofia) wies nach, dass sich die spezifische Musikbegrifflichkeit ihres Landes noch für die Untersuchung bulgarischer Musik der Gegenwart besonders eignet. Als exemplarisch für regionale Gebundenheit diskutierte Julia Veksler (Nischni Nowgorod) den über einen Gebrauch im deutschen Sprachraum kaum hinausgelangten Begriff ›Neue Musik‹. Welcher Art die Übersetzungsprobleme sind, die Mozarts Briefe bereiten konnten, zeigte die Philologin Albina Bojarkina (Sankt Petersburg) anhand des Wörtchens »arschling«. Gemeint ist das Spiel eines Themas »von hinten«, also als Krebs (»dann aber endlich wieder das thema, und aber arschling«). Die Beobachtungen der mit Studien zu Alfred Schnittke hervorgetretenen Evgeniia Chigareva (Moskau) kreisten um gleichlautende Termini in Musik und Wortsprache. Bei Begriffen wie Motiv, Phrase, Satz, Periode oder bei Gattungsbezeichnungen wie Poem, Elegie, Impromptu oder Madrigal konnte sie zum Teil radikal unterschiedliche Bedeutungen nachweisen.

Svetlana Savenko (Moskau), hierzulande mit Beiträgen über Igor Stravinsky, Dmitri Schostakowitsch, Alexander Knaifel oder Valentyn Syl’vestrov bekannt geworden, diagnostizierte an gegenwärtigen Begriffsdiskussionen eine Polarisierung zwischen formalistischen und metaphorischen Ansätzen, die nicht mehr zusammenfänden. Zwei Richtungen analytischer Zugänge unterschied auch Konstantin Zenkin (Moskau). Einer philosophischen, auf Hegelianisches Denken zurückgehenden Richtung, der man bei Boleslav Javorskij, Sergej Skrebkov oder Tatjana Čeredničenko begegne, stehe eine auf dem Studium des musikalischen Materials basierende Richtung, ausgehend von dem für die russische Musikologie besonders wichtig gewordenen Ernst Kurth bis zu Jurij Cholopov (1932–2003) reichend, gegenüber.

Valentina Cholopova (Moskau), hierzulande bekannt geworden mit Arbeiten zu Schnittke und Sofia Gubaidulina, der wohl berühmtesten Absolventin des Kazaner Konservatoriums, gehörte zu einer beachtlichen Zahl von vortragenden Damen in den 80ern. Schon zu Sowjetzeiten war der Frauenanteil der Lehrenden in den Fächern Musikgeschichte und Theorie ungewöhnlich hoch, gleichwohl blieben die Leitungsfunktionen meistens in männlicher Hand. Cholopova sprach über das Stück S_S_S des elektroakustischen Musikers Igor Kefalidi (*1941). Die Befindlichkeit des Publikums würde zu einer wesentlichen Komponente eines solchen multimedialen Produkts. Ebenfalls mit neuester Musik befasste sich Gražina Daunoravičienė (Vilnius). Ihr Beispiel war das Stück Sun & Sea (Marina) der litauischen Konzeptkünstlerinnen Rugilė Barzdžiukaitė, Vaiva Grainytė und Lina Lapelytė, die mit ihm den diesjährigen Goldenen Löwen von Venedig gewannen. Simultandramaturgien in Opern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren der Gegenstand von Olga Komarnitskayas (Moskau) Vortrag, exemplifiziert unter anderem anhand der Kammeroper Der Meister und Margarita (1970-72) von Sergei Slonimsky und von Rodion Ščedrins Lolita (1992). Auf Leonid Sabaneevs Studien zu Skrjabin und Cholopovas Arbeiten zu Gubaidulina stützten sich Konzepte von timbraler Harmonie bzw. Harmonietimbre, die Anna Iglitskaya (Moskau) in einem Poster für die Analyse von Stücken u.a. Gérard Griseys, Fausto Romitellis, Kaija Saariahos und Vladimir Tarnopolskis fruchtbar machte. Daniil Shutko (Sankt Petersburg) ergänzte die Quellen harmonietimbralen Denkens um Passagen aus Texten von Pierre Schaeffer und Tristan Murail und diskutierte Peter Ablingers Speaking Piano. Ausgehend von Claus-Steffen Mahnkopfs Theorie des kritischen Komponierens entwickelte der Akkordeonist Sergej Tchirkov (Moskau) in einem Poster eine Klassifikation der Gesten in Brian Ferneyhoughs Musik.

Mit kompositorischen Ansätzen der Nachkriegsmoderne beschäftigten sich Levon Hakobian (Moskau), der die »serielle Rhetorik« auf ihre Fasslichkeit hin untersuchte, sowie Ekaterina Okuneva vom Konservatorium der Hauptstadt Kareliens Petrosawodsk. Einem anfänglich »ultrathematischen« Konzept des seriellen Komponierens sei bald ein generatives Verfahren gegenübergetreten, aus dem sich sämtliche, auch vertikal angeordnete Elemente serieller Stücke speisten. Vom selben Konservatorium kommt Antonina Maksimova. Sie sprach über Konzepte von Neo- und Pan-Diatonik, wie sie Vladimir Dukelski 1929 und Nicolas Slonimsky 1937 entwickelt hatten. Theorien der Polytonalität, vorgetragen von Evgeny Trembovelsky (Woronesch) und Anastasia Gundorina (Moskau), ergänzten diese Überlegungen. Wie Gundorina mit Material aus russischen Archiven rekonstruieren konnte, hatten – ausgehend von Konzeptionen Skrebkovs und Viktor Berkovs – Ende der 1950er-Jahre am musikpädagogischen Institut der Moskauer Gnessin-Musikakademie vier Konferenzen stattgefunden, bei denen heftig über die Bestimmung von Polytonalität gestritten wurde. Noch dem heutigen westlichen Schrifttum über den sozialistischen Realismus attestierte Caio de Barros (São Paulo) einen »cold war view«. Ebenfalls mit der Geschichte des russischen Musikdenkens befasste sich Daniil Petrov (Moskau). Er zeigte auf, dass die Rede von Narrativität bis in Javorskijs Schriften aus den 1930er-Jahre zurückreicht. Wie inspirierend das Denken des ganzheitlichen Analytikers Viktor Zukkerman (1903–88) mit seinen metaphorischen Beschreibungen von Musik noch heute ist, konnte Galina Grigor’eva (Moskau) mit Ausführungen u.a. über Stücke von Schnittke und Fərəc Qarayev (*1943) nachweisen. Werke abermals Schnittkes, daneben auch der finnischen Komponisten Kari Rydman (*1936) und Kalevi Aho (*1949), zog Irina Koposova (wiederum aus dem karelischen Petrosawodsk) heran, um zu diskutieren, inwieweit das Schreiben von Anti-Symphonien eine parallele Erscheinung ist zu den französischen Anti-Novellen des Nouveau Roman der mittleren 1950er-Jahre, unter anderem solchen der aus Russland stammenden Nathalie Sarraute.

In den 1960er- und 1970er-Jahren hatten Ekaterina Ruchievskaya und Ludmilla Skaftimova anhand von Rachmaninov-Analysen ein Konzept von Mikrothematizismus erarbeitet, das Vera Val’kova (Moskau) nun auf Musik anderer um 1900 wirkender Komponisten, insbesondere Debussys und Skrjabins, anwandte. Immer wieder wurde auf den Moskauer Theoretiker Victor Bobrovski (1906–79) Bezug genommen, so von Evgenija Skurko (Ufa), die dessen philosophische, mathematische und physikalische Ideen synthetisierendes Konzept des Thematizismus und dessen funktionale Begründung musikalischer Dramaturgie reaktivierte. Vera Nikitina (Moskau) stellte ein Herausgabeprojekt zu bislang unpublizierten Schriften des Musikologen Jurij Tjulin (1893–1978) vor. Tjulins Überlegungen zum kreativen Prozess und zu ästhetischen Haltungen des Publikums gewännen gegenüber unterschiedlichen Ausdrucksmitteln angesichts heutiger künstlerischer Produktionen neue Aktualität.

Dem Musikdenken des 17. und 18. Jahrhunderts widmeten sich unter anderem Bella Brover-Lubovsky (Jerusalem) mit einem Vortrag über die verquere Dissonanztheorie, die Francescantonio Calegari in einem handschriftlich überlieferten Traktat von 1732 entfaltet hatte. Anastasia Maltseva (Novosibirsk) zeigte an barocken Katalogen musikalischer Figuren und deren möglichen Filiationen, wie rhizomatisch Landkarten rhetorischen Musikdenkens tatsächlich sind. Über den ukrainisch-russischen Barockkomponisten und Theoretiker Nikolai Dilezki (um 1630–81) berichtete Natalia Plotnikova (Moskau). In Dilezkis vierstimmigen Concerti fahndete sie nach Übereinstimmungen mit rhetorischen Begriffen, die dieser in seiner Musikalische[n] Grammatik benutzt hatte. Termini für Stile und Gattungen in der Musik Bachs und Telemanns erörterten Roman Nasonov und Sergej Nikiforov (beide Moskau). Irina Susidko (Moskau) schlug an Beispielen von Gattungsbezeichnungen für Opern des 18. Jahrhunderts vor, wie man zu einem Ausgleich zwischen historischen und systematischen Bezeichnungen gelangen könne.

An den Schriften Vladimir Odoevskijs (1803–69), Aleksandr Serovs (1820–71) und des Lexikographen Modest Rezvoj (1807–53) konnte Mikhail Pylayev (Perm) nachweisen, dass frühe russische Fachtermini von Termini sehr unterschiedlicher »europäischer« Herkunft abhängig seien. Rezvoj war Schüler und Mitarbeiter des aus Dessau stammenden und in Sankt Petersburg ansässigen Johann Leopold Fuchs. Dessen 1830 auf Deutsch und Russisch erschienene Praktische Anleitung zur Komposition, […] nebst einer besonderen Anweisung für Komponisten des Russischen Kirchengesanges […] prägte russische Musikbegriffe entscheidend, so Inga Presnyakova (Moskau). Wie die Gattung der Romanze im 19. Jahrhundert (von einem französischen Verständnis ausgehend) sukzessive russifiziert wurde, indem man unter anderem rhythmische Eigenarten zurück- und Lyrisch-Expressives hervortreten ließ, zeigte Marina Dolgushina (Wolodga) anhand von frühromantischen Romanzen Sergej Golizyns, Mathieu Wielgorskys und Alexander Aljabjews.

Das Zitat »Die Form ist Tonalität in Aktion« von Philip Herschkowitz (1906–89), einem in der Nazizeit in die Sowjetunion geflohenen rumänischen Schüler Bergs und Weberns, der aus seiner Wiener Studienzeit auch Kenntnisse von Schenkers Musikdenken mitgenommen hatte, war der Ausgangspunkt für Überlegungen Grigory Lyzhovs (Moskau) dazu, wie über Cholopovs Versuch, die Theorien Riemanns und Schenkers zu synthetisieren, hinausgegangen werden könne. In der musikalischen Form liege die Funktion beschlossen, die die Harmonie tatsächlich ausübe, so Lyzhov. Mehrere Vorträge zur Formenlehre waren direkter um pädagogische Fragen bemüht. Nachdem Cholopov mit einer am Ende des 20. Jahrhunderts ausgearbeiteten Version Adolf Bernhard Marx’ System der Formen in die Lehre zurückgebracht habe (»Marx 2.0«), so Vadim Dulat-Aleyev (Kazan), solle sein eigener »Marx 3.0« dieses System nun für die Zukunft russischer Konservatoriumslehre rüsten. Pavel Pimurzin (Kazan) ging von der Tatsache aus, dass Marx’ Begriffen der »kleinen Rondoform« und der »Liedform mit Trio« von der neueren russischen Formenlehre der Begriff der »komplexen dreiteiligen Form« gegenübergestellt wird, und präzisierte in Abgrenzung von ihr die Eigenschaften jener Form, die Marx als kleine Rondoform bezeichnet hatte. Wiederum als Vermittlungsaktivität stellte Evgenia Izotova (Moskau) den am Moskauer Konservatorium stattfindenden Kurs »Notation zeitgenössischer Musik« vor. Ziel des Kurses sei die Systematisierung unter anderem graphischer Notationsweisen und deren praktische Umsetzung.

Es gab ein vorbereitetes Panel dreier Moskauer Musikologinnen; dieses war Vincent d’Indys Kompositionslehre gewidmet. Während Anastasia Kasimova prüfte, ob d’Indys originelle Termini von seinem eigenen Werk her verständlicher werden, erläuterte Elena Rovenko dessen Konzeption musikalischer Zeit. Über Korrespondenzen zwischen musikalischem Rhythmus und dem freien Rhythmus der gesprochenen Sprache erlaubten seine Termini die hierarchische Unterscheidung von Zeitebenen. In einem weiteren Beitrag des Panels stellte Natalia Ryshkova unter anderem durch Betrachtungen von d’Indys Oper L’étranger Unterschiede zwischen dem fest, was dieser und was Wagner mit ›Leitmotiv‹ und seinen Synonymen gemeint haben dürften. Ebenfalls von Wagner handelte der Vortrag Cheong Wai-Lings (Hongkong). Sie zeigte anhand einer Analyse mehrerer Passagen aus Tristan und Isolde, wie sich Friedrich Nietzsches frühe Notizen zu griechischen Rhythmen in Bezug auf Wagner verstehen lassen.

In den kurz vor Beginn des ersten Weltkriegs erbauten Konzertsaal des Konservatoriums wurde 1997 von dem holländischen Unternehmen Flentrop eine Orgel eingebaut. Sie reicht fast über die gesamte Breite der Bühne; flankiert wird sie von blass-farbigen islamischen Ornamenten an den Seitenwänden des Saals. Auf dem Programm des Konzerts am zweiten Kongressabend standen im ersten Teil Stücke für Orgel und für Chor. Gesungen wurden vom Konservatoriumschor Sätze von Alexander Archangelski (1846–1924), der die russische Chorkultur entscheidend geprägt hat, ein Chorsatz des hier vielgeliebten Georgi Swiridow (1915–98) und einer von Elmir Nizamov (*1986), einem Absolventen des Kazaner Konservatoriums, dessen zugängliche, Elemente der multiethnischen mittleren Wolgaregion aufgreifende Stücke auch im westlicheren Europa oft gehört werden. Ansonsten gab es Bach, Mendelssohn und im zweiten Teil, gespielt in deutscher Sitzordnung vom Konservatoriumsorchester, Haydn, Mozart, Schubert.

Der Kongress endete am Morgen des letzten Kongresstages mit einem Resümee, gefolgt von einer pianistischen Improvisation des Leiters der Kazaner Theorieabteilung Maklygin. Sein voluminöses Spiel ließ Melodien der in Kazan beheimateten Tataren, Tschuwaschen und der ugro-finnischen Mari ineinanderfließen. Eine verregnete Exkursion zur riesigen russisch-orthodoxen Raifa-Gottesmutter-Geburts-Klosteranlage schloss sich an. Auf dem Rückweg setzte man die 84-jährige Cholopova und all die anderen Moskauer Musiktheoretiker*innen am Kazaner Bahnhof ab. Sie nahmen den Nachtzug, zwölfeinhalb Stunden mit der transsibirischen Eisenbahn, ohne Umstieg ab nach Moskau.