Schiemann, Pascal (2021), »Rotationsprinzip und synthetische Reprisenfunktion im Klavierkonzert des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts« [Rotation and Synthetical Recapitulation Function in the Piano Concerto of the Late Eighteenth and Early Nineteenth Centuries], Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 18/1, 157–178. https://doi.org/10.31751/1110
eingereicht / submitted: 04/03/2020
angenommen / accepted: 27/07/2020
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 28/06/2021
zuletzt geändert / last updated: 04/07/2021

Rotationsprinzip und synthetische Reprisenfunktion im Klavierkonzert des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts

Pascal Schiemann

James Hepokoski und Warren Darcy haben in Elements of Sonata Theory ein Konzertsatzmodell vorgelegt, das hinsichtlich der formalen Disposition von einem Primat des Sonatensatzes ausgeht. Ihre Interpretation der Konzertsatzform als »Type 5 Sonata« basiert im Wesentlichen auf einer Integration der konzertanten Residuen der Ritornellform in eine übergeordnete Sonatensatzstruktur: Zum einen werden Mittel-, Kadenz- und Schlusstutti als aktive Elemente bei der Realisierung des Rotationsprinzips als dem zentralen Paradigma der Sonata Theory funktionalisiert. Zum anderen wird die modulare Divergenz von erstem Tutti und erstem Solo als ein dem Tonartenkontrast analoger Konflikt gedeutet, der in der Exposition aufgestellt und in einer synthetisch verfahrenden Reprise aufgelöst wird. Das Type-5-Modell wurde beinahe ausschließlich anhand der Konzerte Mozarts konzipiert; nichtdestotrotz gehen Hepokoski und Darcy für das späte 18. Jahrhundert von dessen allgemeiner Gültigkeit aus und implizieren eine gattungsgeschichtliche Kontinuität des Modells im 19. Jahrhundert. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, dass sich ein formales Primat des Sonatensatzes weder für das späte 18. noch für das frühe 19. Jahrhundert als Gattungsnorm verallgemeinern lässt. Anstelle einer systematischen Annäherung an den Sonatensatz wird die formale Autonomie des Konzertsatzes im Großteil der Gattungsbeiträge dieses Zeitraums durch unterschiedliche kompositorische Verfahren gestärkt.

In Elements of Sonata Theory James Hepokoski and Warren Darcy have proposed a theory of concerto first-movement form which seeks to put an end to the ongoing discussion of its formal autonomy by effectively describing it as a mere subtype of sonata form. Their interpretation of concerto first-movement form as “Type 5 Sonata” relies mainly on two principles, both aiming to subsume the structural idiosyncrasies of the form under a broader sonata paradigm: first, the residual tutti-pillars of ritornello form are integrated into the modular order of a higher-level rotational scheme that is vital to their Sonata Theory in general. Second, they postulate a concerto-specific synthesis function of the recapitulation, in which the thematic divergence of the first tutti and the first solo is reconciled in a process somewhat analogous to the resolving of the harmonic contrast of primary and secondary theme zone in the exposition. The Type 5-model is based almost exclusively on Mozart’s concertos; nevertheless, Hepokoski and Darcy do imply that this model is analytically valid outside of the Viennese-classical context and argue for its importance in the postclassical development of the solo concerto. This paper contests the general applicability of the Type 5 model by showing that it proves inapt for the majority of concertos in the late eighteenth and early nineteenth centuries. Instead of a “rapprochement with sonata form,” the generic identity of the concerto in this repertoire is strengthened by an array of different formal procedures alien to the concertos of Mozart.

Schlagworte/Keywords: concerto first movement form; Konzertsatzform; rotational principle; Rotationsprinzip; Sonata theory; synthetical recapitulation; synthetische Reprise; Type 5 Sonata

Die Konzertsatzform des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts gilt gemeinhin als »one of the most complex and analytically elusive genres of its era«[1] und konnte aufgrund ihrer hybriden Stellung zwischen Ritornellform und Sonatensatz lange keiner einheitlichen Theorie zugeführt werden: Während etwa Volker Scherliess davon ausgeht, dass dem Konzertkopfsatz um 1800 »üblicherweise […] die Sonatenform zugrunde [liegt]«,[2] und sich damit an einer Fortschreibung der zunächst von Adolph Bernhard Marx vorgenommenen Gleichsetzung der Konzertsatzform mit der Sonatensatzform beteiligt,[3] betonen Autor*innen wie Edwin J. Simon, Jane R. Stevens, William E. Caplin oder Erich Reimer eine prinzipielle formale Autonomie des Konzertsatzes.[4] Abgesehen von dem Einwand, dass es sich bei der Übertragung von Paradigmen des Sonatensatzes auf den Konzertsatz um einen unzulässigen Anachronismus handeln würde,[5] beruht die hiermit verbundene Kritik an einer Reduzierung des Konzertsatzes auf die formbildenden Prinzipien des Sonatensatzes im Wesentlichen auf zwei strukturellen Argumenten: Einerseits fänden sich mit Mittel-, Kadenz- und Schlusstutti sowie der Solokadenz und der Solointroduktion nach wie vor konzertante Residuen der Ritornellform, die sich nicht ohne Weiteres in eine sonatensatzorientierte Struktur integrieren ließen – Carl Dahlhaus spricht in diesem Zusammenhang von »exterritorial[en]« Zusätzen zu einer »›dramatische[n]‹ Konzeption der Sonatenform«.[6] Andererseits ließe sich die von Ebenezer Prout im Anschluss an Marx formulierte Idee einer double exposition form[7] in Anbetracht der »konzertanten Divergenz«[8] von erstem Tutti und erstem Solo insofern nicht aufrechterhalten, als die strukturelle Differenzierung beider Formteile zu Problemen hinsichtlich ihres Expositionsstatus führen würde:

Girdlestone suggests that the tutti exposition is the true exposition and that the solo seems part of the development, while Hutchings dismisses the opening tutti as a prelude and sees only the solo section as the actual exposition.[9]

In jüngerer Zeit haben James Hepokoski und Warren Darcy mit Elements of Sonata Theory eine an den Gattungsbeiträgen Mozarts entwickelte Konzertsatztheorie vorgelegt, die zwar grundsätzlich der Idee einer Kombination der Ritornellform mit Formparadigmen des Sonatensatzes verpflichtet bleibt, dabei aber die konzertanten Residuen des Klanggruppenkontrastes im Sinne von Marx auf einen sekundären strukturellen Status reduziert.[10] Die vermeintlich exterritorialen Zusätze zur Sonatensatzform werden also nicht mehr gleichberechtigt als formbildend wahrgenommen, sondern nur mehr als Texturelemente, innerhalb derer sich die von den Autoren entwickelte Idee der Sonatensatzform mehr oder minder ungebrochen entfaltet. Der Konzertkopfsatz Mozarts, den Hepokoski und Darcy als Type 5 Sonata klassifizieren, erscheint damit letztlich nicht mehr als eine aus der Verbindung von Ritornell- und Sonatensatzform resultierende originäre Form, sondern lediglich als eine spezifische Ausprägung des Sonatensatzes, die sich von einer normativen Anlage mit dreiteiliger Binnengliederung (Exposition, Durchführung, Reprise) nicht in einem kategorial anderen Sinne unterscheidet als etwa die von Hepokoski und Darcy als Type 1 Sonata bezeichnete Form ohne Durchführung:[11]

Notwithstanding all of its inbuilt archaic rigidities, the Type 5 sonata […] had been transformed into a field of abundant structural possibilities, the ne plus ultra demonstration of ingenious sonata-organizational technique.[12]

The question now becomes, how, in Mozart’s concrete practice, are these zones placed into a rapprochement with sonata form?[13]

Grosso modo beruht die Type 5 Sonata dabei auf dem Versuch, die bis dato mit einer ›sonatisierenden‹ Deutung des Konzertsatzes einhergehenden formalen Probleme in einer übergeordneten Sonatensatzlogik aufzulösen: Zum einen werden Mittel-, Kadenz- und Schlusstutti dadurch in die Makrostruktur des Sonatensatzes integriert, dass ihnen innerhalb der Exposition beziehungsweise der Reprise ›rotationale Funktionen‹ zugewiesen werden und sie sich also aktiv an der Realisierung des Rotationsprinzips als dem zentralen Paradigma der Sonata Theory beteiligen.[14] Dem Rotationsprinzip zufolge besteht der Sonatensatz in der variierten Wiederholung (= Rotation) einer in ihrer Reihung festgelegten, linearen Abfolge unterschiedlicher funktionaler Zonen (Zones/Spaces): Einer Primary-Theme-Zone folgt nach einer Überleitung und einer Mittelzäsur (Medial Caesura)[15] eine Secondary-Theme-Zone, die ihrerseits eine EEC[16] produziert, ehe die Closing-Zone die Rotation abschließt.[17] Diese Zonen können jeweils ein oder mehrere Module enthalten (z. B. unterschiedliche Schlussgruppengedanken), die mit ihrer jeweiligen Zone fest verbunden sind.[18] Idealiter werden die einzelnen Tutti- und Soloabschnitte im Type 5 zu vier Rotationen gruppiert (annäherungsweise: Orchesterexposition, Soloexposition, Durchführung, Reprise), wobei das erste Tutti als ›Referenzrotation‹ betrachtet wird und damit die modulare Ordnung sowie die äußeren Grenzen der folgenden Rotationen festlegt (referential-layout function).[19]

Zum anderen werden die im ersten Solo häufig durch Interpolationen, Substituierungen und Ellipsen entstehenden Abweichungen vom ersten Tutti von Hepokoski und Darcy dadurch konzeptionell dem Sonatensatz angenähert, dass sie für den Mozart’schen Konzertsatz schlüssig eine synthetische Funktion der Reprise nachweisen.[20] Hatten die modularen Unterschiede von erstem Solo und erstem Tutti in früheren Formbeschreibungen noch insofern zu Problemen geführt, als sie der Idee einer Doppelexpositionsstruktur widersprachen und damit Fragen nach der formalen Verortung beider Formteile aufwarfen, geht das Type-5-Modell davon aus, dass diese modularen Abweichungen in der Reprise durch die Herstellung modularer Vollständigkeit nivelliert werden: Substituiert also etwa das erste Solo den Seitensatz der Referenzrotation durch einen eigenständigen Gedanken, dann ist es in Hinblick auf den Expositionsstatus von erstem Tutti und erstem Solo notwendig, dass beide Seitensatzgedanken in der Reprise wiederaufgenommen werden (siehe hierzu ausführlicher den Abschnitt zum Post-ESC-Non-Sequitur). Die modulare Divergenz von Anfangstutti und erstem Solo erscheint also nicht mehr als formales Problem einer ›sonatisierenden‹ Beschreibung des Konzertsatzes, sondern lediglich als ein dem Tonartenkontrast analoger Konflikt, der in der Exposition aufgestellt und in der Reprise gelöst wird – der Klanggruppenkontrast fungiert damit nur mehr als ein ›dramatischer‹ Aspekt der Sonatensatzform, nicht mehr aber als ein eigentlich formbildendes Prinzip.[21]

Das Modell der Type 5 Sonata wurde von mehreren Autoren kritisiert, am nachhaltigsten von Paul Wingfield und Julian Horton. Während Wingfield in seiner Rezension der Elements of Sonata Theory im Wesentlichen auf eine Kritik des Rotationsprinzips abhebt und die historische Verfügbarkeit hierarchisch organisierter kompositorischer Normen infrage stellt,[22] hat Horton im Rückgriff auf Caplins Classical Form[23] ein syntaktisch orientiertes Bottom-up-Modell vorgelegt, das zu einer grundsätzlichen Neubewertung der gattungsgeschichtlichen Entwicklung des Konzertsatzes zwingt.[24] Beide Autoren vertreten dabei die Auffassung, dass sich der Type 5 aufgrund der nahezu ausschließlichen Fokussierung auf den Konzertsatz Mozarts entgegen der Implikationen von Hepokoski und Darcy[25] weder für das späte 18. noch für den postklassischen Konzertsatz des frühen 19. Jahrhunderts als Gattungsnorm verallgemeinern lässt.[26]

Der vorliegende Beitrag folgt dieser Einschätzung, formuliert die Kritik an der Type 5 Sonata jedoch deutlich stärker als Kritik an der Allgemeingültigkeit einer ›sonatisierenden‹ Deutung des Konzertsatzes: Weder werden Mittel-, Kadenz- und Schlusstutti abseits der kanonischen Gattungsbeiträge von Mozart und Beethoven kategorisch in die rotationale Ordnung des Satzes integriert, noch fungiert die synthetische Aufhebung modularer Unterschiede von Tutti und Solo in diesem Zeitraum als normativer Standard – die für die Type 5 Sonata zentrale Annäherung des Konzertsatzes an den Sonatensatz wird also nicht systematisch vollzogen. Wie anhand einer Reihe von Fallbeispielen aufgezeigt werden soll, werden Rotationsprinzip und synthetische Reprisenfunktion insbesondere im ›brillant-virtuosen‹ Konzertsatz des frühen 19. Jahrhunderts aufgrund der zunehmenden Differenzierung von Tutti und Solo und der Ausweitung konzertanter Elemente mit solistisch-virtuoser Funktion häufig nicht vollständig realisiert.[27] Diese Tendenz ist jedoch bereits frühzeitig im Œuvre Londoner Komponisten wie Jan Ladislav Dussek und Johann Baptist Cramer angelegt und impliziert damit für eine Vielzahl der Konzertkopfsätze bis etwa 1830, in Übereinstimmung mit Wingfields und Hortons Auffassung, eine vom Mozart’schen Vorbild weitestgehend unabhängige Genealogie. Neben den Gattungsbeiträgen von Dussek und Cramer orientiert sich die Untersuchung dabei grosso modo an den Komponisten eines Standardrepertoires, das Shinji Koiwa anhand von Aufführungsberichten in der Allgemeinen musikalischen Zeitung für den Zeitraum von 1825 bis 1834 herausgearbeitet hat.[28] Der vorliegende Beitrag behandelt Johann Ladislav Dusseks op. 14, 27, 40 und 49, Johann Baptist Cramers op. 16, 38, 51 und 56, Johann Nepomuk Hummels op. 85, 89 und 110, Ferdinand Ries’ op. 42, 55 und 120, Friedrich Kalkbrenners op. 61, 107 und 127, Ignaz Moscheles’ op. 56 und 87, Henri Herz’ op. 34 und 87, sowie Carl Czernys op. 214.[29]

Der Beitrag übernimmt die von Hepokoski und Darcy eingeführte Nomenklatur: Tutti und Soli werden jeweils mit ›R‹ (Ritornello)[30] bzw. ›S‹ (Solo) bezeichnet und entsprechend ihrer Abfolge im Satz durchnummeriert (Soloexposition = S1; Durchführung = S2; Reprisensolo = S3). Die Zonen einer Rotation werden mit ›P‹ (Primary-Theme-Zone), ›Tr‹ (Transition-Zone), ›S‹ (Secondary-Theme-Zone) und ›C‹ (Closing-Zone) abgekürzt und ihrem jeweiligen Tutti oder Solo zugeordnet (R1:\P bezeichnet also z. B. den Hauptsatz des ersten Tuttis). Die jeweiligen Module innerhalb dieser Zonen werden diesen durch hochgestellte Ziffern zugeordnet: S1:\S2 bezeichnet dementsprechend ein zweites Thema im Seitensatz des ersten Solos. Alle anderen Begriffe und Abkürzungen werden bei ihrer ersten Nennung erläutert.

Rotationale Integration von Mittel-, Kadenz- und Schlusstutti

Wie bereits angedeutet wurde, basiert die Type 5 Sonata wesentlich auf dem Versuch einer Integration von R2 (Mitteltutti) und R4 (R41 = Kadenztutti; R42 = Schlusstutti) in die syntaktische Ordnung einer ihnen jeweils übergeordneten Rotation. Beide Orchestertutti werden demnach als Residuen der Ritornellform im Konzertsatz Mozarts dadurch dem Rotationsprinzip als dem »larger concept of successive linear ordering«[31] unterworfen, dass sie früher oder später Material aus dem Anfangstutti aufgreifen, das im jeweils vorangegangenen Solo ausgespart wurde und damit die jeweilige mit S1 oder S3 (bzw. R3→S3)[32] begonnene Rotation gegenüber der Referenzrotation R1 modular vervollständigen. R2 und R4 werden also nicht mehr als rein textural-kontrastive Formteile behandelt wie in der älteren Ritornellform, sondern erfüllen gleichermaßen eine rotationale Funktion:

[B]eyond cadential affirmation it is also a task of Ritornello 2 to seek to complete the still-ongoing Rotation 2 by supplying some or all of the missing modules from the end of R1.[33]

Whatever the strategy employed […], at some point R2, as one of its central features, will continue the rotation that had been left incomplete by S1.[34]

However it begins, R4 always completes the recapitulatory rotation by bringing back the concluding modules of R1 […].[35]

Da es sich bei den vom Solo ausgelassenen Modulen zumeist um Material aus dem C-Space von R1 handelt, fungieren R2 bzw. R4 in aller Regel als (Teil-)Schlussgruppen einer larger exposition S1+R2 bzw. einer larger recapitulation R3→S3+R4 (first-level default).[36] Der theoretische Idealfall liegt dann vor, wenn das jeweilige Tutti unmittelbar die modulare Abfolge des vorangegangenen Solos fortsetzt und bereits mit Material aus dem C-Space von R1 beginnt. Ebenso ist es jedoch möglich, dass in R2 bzw. R4 zunächst Module aufgegriffen werden, die im formalen Ablauf von R1 vor der EEC und damit also vor der eigentlichen Schlussgruppe stehen (P, TR- oder S-Module). Wesentlich hierbei ist, dass R2 und R4 durch eine solche Aufnahme von Prä-EEC-Modulen häufig in zwei analytisch differenzierbare Bereiche auseinanderfallen: einen ersten, ›rotational inaktiven‹ Bereich, in dem R2 bzw. R4 Module aus R1 aufgreifen, die in S1 bzw. R3→S3 bereits aufgenommen wurden – derartige redundante Module sind nicht an der Ergänzung der jeweiligen Rotation beteiligt und erfüllen damit keine rotationale Funktion[37] –, sowie einen zweiten Bereich, in welchem R2 oder R4 zu ›rotational aktivem‹ Material übergehen, d. h. also zu R1-Modulen, die in S1 bzw. R3→S3 nicht aufgenommen wurden und damit in R2 bzw. R4 die jeweilige Rotation gegenüber der Referenzrotation ergänzen.

Ein Paradebeispiel liefert das Mitteltutti in Mozarts Klavierkonzert G-Dur KV 453:[38] S1 bildet zunächst in Takt 153 eine V:PAC EEC aus und füllt den anschließenden C-Space mit einer genretypischen Schlussperiode (Display Episode; DE).[39] In Takt 171 setzt R2 phrasenüberlappend mit einer erneuten V:PAC mit dem Überleitungsmodul aus R1 ein. Da das Überleitungsmodul R1:\TR bereits zuvor in S1 aufgegriffen wurde, erfüllt dessen Wiederkehr in R2 keine rotationale Funktion (Redundanz). Der für das Type-5-Modell zentrale Übergang zu rotational aktivem Material findet erst in den Takten 176 bis 177 mit der Aufnahme eines R1:\S-Fragments statt, das in S1 ausgelassen wurde. Die zweite Rotation wird an dieser Stelle also mit Hinblick auf die Referenzrotation R1 ergänzt. Anschließend bildet das Mitteltutti eine V:PAC als neue R2:\EEC aus (T. 178) und bringt das im vorangegangenen Solo ebenfalls ausgesparte und damit in R2 rotational aktive zweite Schlussgruppenmodul aus R1 (T. 178–181). Das Mitteltutti erfüllt somit in KV 453 keine reine Kontrastfunktion, sondern wird durch die konsequente Ergänzung und Weiterführung der mit S1 begonnenen Rotation mit R1:\S und R1:\C-Modulen schlüssig in eine larger exposition und damit in eine übergeordnete Sonatensatzstruktur integriert. In der Reprise führt ein analoger Prozess zur Integration von R4 in eine larger recapitulation R3→S3+R4.

Während das Schlusstutti aufgrund der synthetischen Funktion der Reprise mit der Herstellung modularer Vollständigkeit verbunden ist – alle R1-Module, die bis dato nicht in der Reprise aufgenommen wurden, müssen also wiederhergestellt werden (siehe hierzu ausführlich den Abschnitt »R2: Rotationsidentität und Nicht-Synthetische Reprise«) –, wird das häufige Ausbleiben vereinzelter R1-Module im Mitteltutti von ebendieser Synthesefunktion kompensiert. Wesentlich für die Integration von R2 in eine übergeordnete Rotationslogik ist damit lediglich, dass ein Übergang zu rotational aktivem Material stattfindet, nicht aber, dass auch tatsächlich alle in R1 exponierten und in S1 ausgelassenen Module aufgegriffen werden.

Für den Konzertsatz Mozarts stellt die theoretische Aufhebung von R2 und R4 in einer sonatensatzorientierten Rotationsordnung eine überaus plausible Lösung des skizzierten Exterritorialitätsproblems dar: Mittel-, Kadenz- und Schlusstutti erscheinen nicht mehr als vermeintlich formfremde Zusätze außerhalb der Sonatensatzstruktur, sondern werden durch die Übernahme rotationaler Funktionen an der Realisierung des Rotationsprinzips beteiligt. Problematisch jedoch ist, dass Hepokoski und Darcy für das gesamte späte 18. Jahrhundert von der Type 5 Sonata als einer Gattungsnorm ausgehen[40] und eine gattungsgeschichtliche Kontinuität des Modells in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts implizieren. Der Übergang des Konzertsatzes von der Type 5 zur Type 3 Sonata, d. h. der Übergang von einer nach wie vor auf dem Klanggruppenkontrast basierenden, aber strukturell dem Sonatensatz angeglichenen Konzertsatzform (Type 5), hin zu einem ›symphonischen‹ Gattungstypus (Type 3), in dem letztlich wie etwa in Schumanns a-Moll-Klavierkonzert op. 54 auch die konzertante Textur durch den Wegfall eines »planmäßigen Wechsel[s] zwischen Solist und Orchester«[41] aufgehoben wird, vollzieht sich Hepokoski und Darcy zufolge als linearer Prozess einer zunehmenden ›Sonatisierung‹ der Form:

The history of the concerto in the eighteenth century and beyond, developing alongside the symphony, is that of gradually being attracted to the latter’s principles, finding ways of adapting itself to them while retaining important features of its own identity, but eventually (around the fourth decade of the century) succumbing rather totally to them.[42]

R2: Rotationale Inaktivität und Nicht-Rotationalität

Tatsächlich lässt sich eine derartige Integration der Tuttiabschnitte in eine übergeordnete Rotationslogik weder für das späte 18. Jahrhundert noch für die Entwicklung des Klavierkonzerts im frühen 19. Jahrhundert als allgemeingültige Norm postulieren: Weder R2 noch R4 werden in diesem Zeitraum durchweg konsequent einem rotationalen Paradigma unterworfen. Der R4-Komplex[43] erweist sich aufgrund seiner Verbindung mit der synthetischen Reprisenfunktion bezüglich einer Integration in die Rotationsordnung deutlich häufiger als problematisch als das lediglich über seine rotationale Aktivität definierte Mitteltutti. Dennoch treten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert in einer Vielzahl von Konzerten auch in R2 Formdispositionen auf, die aus Sicht des Type-5-Modells problematisch sind: Erstens finden sich im Gegensatz zum Mozart’schen Konzertsatz Mitteltutti, die vollständig rotational inaktiv sind, d. h. also Mitteltutti, in denen zu keinem Zeitpunkt ein Übergang zu rotational aktivem Material stattfindet. Ein frühes Beispiel für diese R2-Option findet sich in Jan Ladislav Dusseks F-Dur-Klavierkonzert op. 14 (1791):[44] Das Mitteltutti setzt in Takt 214 unmittelbar mit neuem Material in der vom ersten Solo erreichten Tonart der V. Stufe ein und bildet anschließend in Takt 226 eine V:PAC aus, ohne zuvor Material aus R1 aufzunehmen. Die gemäß des Type-5-Modells an dieser Stelle zu erwartende Aufnahme von C-Modulen aus der Referenzrotation, die allesamt im ersten Solo von der Schlussperiode verdrängt wurden, findet nicht statt. Es folgen lediglich vier Takte, die die Kadenz nach C-Dur mit ebenfalls neuem Material bekräftigen, ehe das zweite Solo einsetzt und die Durchführung eröffnet. Das gesamte Mitteltutti nimmt kein Material aus der Referenzrotation R1 auf und wird damit auch nicht dazu funktionalisiert, S1 gegenüber dem Anfangstutti zu einer larger exposition zu ergänzen.

Aus der Perspektive eines rotationalen Konzertsatzparadigmas ist die Einführung neuer Module in R2 nicht grundsätzlich problematisch: Auch Mozart führt im Mitteltutti seines A-Dur-Konzerts KV 488 nach der redundanten Aufnahme von R1:\TR ein neues Thema ein, ohne anschließend das erste Solo durch die Nachreichung aktiver R1-Module zu vervollständigen. Wenn dies jedoch geschieht, dann ist es nach dem Type-5-Modell für die Realisierung des Rotationsprinzips notwendig, dass das neue Thema (R2:\Neu) in der Reprise wieder aufgegriffen und damit rückwirkend in die rotationale Ordnung des Satzes integriert wird. Erst die Wiederaufnahme in R4 identifiziert R2:\Neu also als Bestandteil der larger exposition und damit als rotational aktives Material. In Dusseks op. 14 jedoch findet eine derartige Integration von R2:\Neu nicht statt: Das neue Material wird abseits des Mitteltuttis an keiner anderen Stelle des Satzes wiederaufgenommen und verbleibt damit außerhalb der rotationalen Ordnung des Type-5-Modells.

Derartige Beispiele einer gänzlichen rotationalen Inaktivität des Mitteltuttis finden sich in Konzertsätzen des späten 18. und frühen 19. Jahrhundert ausgesprochen selten. Es sei jedoch im Zusammenhang mit der rotationalen Funktion von R2 darauf hingewiesen, dass sich Dusseks op. 14 nur schwerlich als Abweichung von einer ansonsten intakten Norm marginalisieren lässt. Die Einführung von neuem, R2-spezifischem Material – d. h. also von Material, das im Mitteltutti, nicht aber in R1 oder dem Reprisenkomplex verwendet wird – erweist sich auch dann als problematisch, wenn das Mitteltutti zu einem späteren Zeitpunkt zu rotational aktivem Material übergeht. Ferdinand Ries etwa beginnt das Mitteltutti seines cis-Moll-Konzerts op. 55[45] mit einem neuen Modul (T. 193–205), das im gesamten nachfolgenden Satzverlauf nicht wieder aufgegriffen wird; erst danach findet mit der Aufnahme eines vom Solo ausgelassenen, variierten R1-Moduls (vgl. T. 11–13) der Übergang zu rotational aktivem Material statt. Wie bereits weiter oben am Beispiel von KV 453 angedeutet, gehen Hepokoski und Darcy davon aus, dass R2 auch im Mozart’schen Konzertsatz häufig mit einem rotational inaktiven Bereich beginnt,[46] also mit Modulen, die die zweite Rotation nicht unmittelbar vorantreiben. Der rotational inaktive Anfangsbereich des Mitteltuttis von KV 453 ist jedoch von Ries’ op. 55 insofern zu unterscheiden, als er nicht mit R2-spezifischem Material gefüllt ist, sondern lediglich mit einem R1-Modul, das in S1 bereits aufgenommen wurde. Diese bei Mozart typische Aufnahme eines redundanten Moduls[47] ist damit lediglich rotational inaktiv: Das Modul ist also prinzipiell durch die vorherige Aufnahme in R1 und später in R4 klar als Teil der rotationalen Ordnung definiert, treibt jedoch aufgrund seiner Redundanz an dieser Stelle die zweite Rotation nicht weiter voran. Das singuläre R2:\Neu des 19. Jahrhunderts hingegen stellt ein nicht-rotationales Modul dar[48] – es ist also analog zum gesamten Mitteltutti in Dusseks op. 14 kein Teil der rotationalen Ordnung. Ein solches R2-Modul führt durch die Schaffung einer nicht-rotationalen Leerstelle im Mitteltutti und die damit verbundene Abschwächung der Synthesefunktion der Reprise aus Sicht des Type-5-Modells auch dann zu strukturellen Problemen, wenn das Mitteltutti wie bei Ries zu einem späteren Zeitpunkt rotational aktives Material aufnimmt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellen derartig konstruierte Mitteltutti (nicht-rotationales R2:\Neu + rotational aktives Material) eine verhältnismäßig häufige R2-Option dar und finden sich neben Ries’ op. 55 auch etwa in dessen op. 42, Cramers op. 38 und Herz’ op. 34.

Zweitens bleibt die rotationale Aktivität des Mitteltuttis um 1800 im Gegensatz zu den Konzerten Mozarts häufig auf die Nachreichung von Prä-EEC-Modulen beschränkt. Die im Type-5-Modell idealiter mit R2 verbundene Herstellung einer syntaktischen Folgerichtigkeit oder aber eines »rhyming close«[49] mit der Referenzrotation R1, d. h. also die Ergänzung oder sogar Vervollständigung der larger exposition durch die Aufnahme von Schlussgruppenmodulen aus R1, fungiert in diesem Zeitraum also nicht mehr als first-level default. Beispiele, in denen in R2 kein C-Material aufgenommen wird, finden sich etwa in Ries’ op. 42 und 120, Dusseks op. 27, 40 und 49, Cramers op. 38 und 51, Hummels op. 110 und Herz’ op. 34. In all diesen Konzerten erfüllt R2 die Minimalforderung rotationaler Aktivität: Die zweite Rotation wird also dadurch vorangetrieben, dass die Mitteltutti jeweils R1-Module enthalten, die zuvor in S1 ausgespart wurden. Wenn aber das Mitteltutti nicht mehr durch die Aufnahme von R1:\C-Modulen regelhaft als (Teil-)Schlussgruppe der larger exposition funktionalisiert wird, dann ist fraglich, inwieweit die bloße rotationale Aktivität von R2 überhaupt eine Auflösung des Mitteltuttis in der Syntax des Sonatensatzes legitimiert. Dass das Mitteltutti Materialien aus R1 aufnimmt, die zuvor vom ersten Solo ausgespart wurden, lässt jedenfalls kaum eine hinreichende Differenz zur formalen Disposition der Ritornellform erkennen. Im 19. Jahrhundert wird dieses Problem durch die zunehmende Auflösung der Rotationsidentität von R1 und S1 noch zusätzlich verstärkt – die nahezu vollständige Substituierung der R1-Module durch eigenständiges Solo-Material in S1 führt also dazu, dass beinahe sämtliche Module des Anfangstuttis bei einer Aufnahme in R2 als rotational aktiv gewertet werden müssten.

Post-ESC-Non-Sequitur: Nicht-rotationales R4 und DE-Substituierung

Analog zur Integration des Mitteltuttis in eine larger exposition S1+R2 weisen Hepokoski und Darcy dem Schlusstutti R4 (R41 = Kadenztutti; R42 = Schlusstutti) im Mozart’schen Konzertsatz eine rotational aktive Funktion innerhalb des Reprisenkomplexes R3→S3+R4 zu. Wie auch R2 wird R4 also durch die Aufnahme von Modulen aus dem C-Space von R1 als Schlussgruppe der laufenden Rotation funktionalisiert und gegebenenfalls durch das Nachreichen der zuvor von S3 ausgesparten oder substituierten Module in die rotationale Ordnung eingegliedert. Anders als R2 erweist sich das Schlusstutti dabei als wesentlicher struktureller Faktor bei der Herstellung modularer Vollständigkeit:

A primary task of R4 […] is to pick up any remaining loose ends of the composition – to restore any R1 modules (especially R1:\post-MC modules) that had not been heard since the opening ritornello.[50]

However it begins, R4 always completes the recapitulatory rotation by bringing back the concluding modules of R1 […].[51]

R4 spielt eine zentrale Rolle bei der Realisierung der synthetischen Funktion der Reprise und damit bei der Auflösung der möglicherweise durch Interpolationen, Substitutionen oder Ellipsen entstehenden modularen Differenzen von R1 und S1. Wird etwa im Seitensatz des ersten Solos das R1:\S-Modul durch einen eigenständigen Gedanken substituiert, dann ist es notwendig, dass im S-Space der Reprise die modulare Vollständigkeit durch die Aufnahme beider Module aus Tutti und Solo (R1:\S und S1:\S) hergestellt und somit die kontrastive Spannung von R1 und S1 aufgelöst wird: »The full rotation, including all R1:\C-material, will always be completed in final, [sic] ›synthesis‹ rotation: the R3→S3+R4 complex, or the larger recapitulation.«[52]

Im Type-5-Modell erscheint dieses Synthese-Verfahren als notwendige Voraussetzung einer formalen Integration von Tutti und Solo in einer sonatensatzorientierten Anlage: Hatte die Inkongruenz von R1 und S1 in früheren Beschreibungen der Konzertsatzform zunächst zu Unklarheiten bezüglich des formalen Status beider Formteile geführt, wird ebendiese Abweichung von Hepokoski und Darcy durch die synthetische Auflösung in der Reprise schlüssig unter der ›dramatischen‹ Anlage des Sonatensatzes subsumiert. Die Divergenz von R1 und S1 erscheint also nicht mehr als formales Problem einer ›sonatisierten‹ Beschreibung des Konzertsatzes, sondern lediglich als ein dem Tonartenkontrast analoger, sonatensatztypischer Konflikt, der in der Exposition aufgestellt und in der Reprise nivelliert wird. Die modulare Vollständigkeit der Reprisenrotation bildet dabei insofern die notwendige Voraussetzung einer R1-S1-Synthese, als der Wegfall R1- und S1-spezifischer Module eine Aufweichung des Rotationsprinzips nach sich zieht – ein R1-Modul, das weder in S1+R2 noch in der Reprise wiederaufgenommen wird,[53] lässt sich also nicht zwingend als Teil der rotationalen Ordnung klassifizieren. Anders als in R2 besteht damit in R4[54] die Notwendigkeit, alle R1:\C-Module wiederherzustellen, sofern sie nicht bereits vorher von S3 aufgenommen wurden.

Im Konzertsatz des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts jedoch wird die mit der Synthese-Funktion der Reprise verbundene modulare Vollständigkeit in R4 praktisch nie erreicht. Einerseits finden sich etwa mit Cramers Klavierkonzerten d-Moll op. 16[55] (1797) und Es-Dur op. 51[56] (ca. 1813) Konzerte, in denen in der Reprise vollständig auf die Aufnahme von Schlussgruppenmaterial aus R1 verzichtet wird – in beiden Konzerten greift das Schlusstutti ausschließlich Prä-EEC-Module auf, ohne anschließend eine neue ESC[57] auszubilden und die Rotation durch die Aufnahme der vom Solisten in S3 ausgesparten C-Module aus R1 zu vervollständigen. Beide Schlusstutti sind dabei zwar rotational aktiv, weil sie mit R1:\TR2 (op. 16) bzw. R1:\TR und R1:\S (op. 51) Module aufgreifen, die zuvor von S3 nicht aufgenommen wurden, und damit die Reprise im Sinne des Rotationsprinzips ergänzen. Die jeweiligen R1:\C-Module jedoch werden außerhalb der Anfangstutti in beiden Sätzen nicht mehr aufgenommen. Die synthetische Funktion der Reprise wird also nicht vollständig realisiert.

Andererseits wird die modulare Vollständigkeit, die Hepokoski und Darcy in Mozarts Konzerten mit R41 und R42 in Verbindung bringen, auch dann nur selten erreicht, wenn die Schlusstutti tatsächlich Schlussgruppenmaterial aus der Referenzrotation R1 aufgreifen. Zwar findet auch in diesen Fällen in R4 ein Übergang zu rotational aktivem Material statt; in kaum einem der Konzerte aber greift das Schlusstutti auch alle Module der meist multimodular angelegten R1-Schlussgruppen auf. Der im frühen 19. Jahrhundert gängige Wegfall von R1:\C-Modulen in der Reprise liegt größtenteils in der dramaturgischen Gestaltung des Übergangs von R1 zu S1 begründet: Häufig sind die letzten Schlussgruppenmodule von R1 auf einen ruhigen, spannungssteigernden Übergang zur kontrastierenden Solointroduktion hin angelegt. Dieser Effekt kann zwar im Mitteltutti wiederholt werden, im meist emphatisch-finalen Schlusstutti hingegen werden derartige Kontrastmodule in aller Regel fallen gelassen. Der dramatisierte Tutti-Solo-Wechsel tendiert damit zu einer rein konzertanten Funktion, die sich der Integration in eine sonatensatzorientierte Anlage entzieht. Eine R1- und R2-analoge Reduzierung der Dynamik am Ende von R4, wie Mozart sie in seinem Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467 zur Erreichung modularer Vollständigkeit vornimmt, findet sich in der Praxis des frühen 19. Jahrhunderts kaum.

Die starke Solobezogenheit des R1:\C-Space korreliert dabei zusätzlich in einer Vielzahl von Konzerten mit der rotational wesentlich problematischeren Option, in R4 gänzlich auf die Rekapitulation von rotational aktivem Material zu verzichten und das Schlusstutti stattdessen vollständig mit neuem oder redundantem Material zu besetzen. Beispiele für derartige nicht-rotationale R4 finden sich etwa in Hummels op. 85, Czernys op. 214, Herz’ op. 87 und Kalkbrenners op. 107. In all diesen Konzerten ließen sich die Schlusstutti lediglich dadurch in die Syntax des Type-5-Modells integrieren, dass man sie als Coda der jeweiligen Reprisenrotation wertet. Um die Abweichungen vom Konzertsatz Mozarts dabei auf das Ausbleiben der R1:\C-Module zu beschränken (modulare Unvollständigkeit), muss die Display Episode (= Schlussperiode; DE)[58] am Ende des dritten Solos (S3:\DE) in solchen Fällen als C-Space der Reprise fungieren. Anders ausgedrückt: Wenigstens sofern die Identifizierung einer Coda auch das Vorhandensein einer (expositionsäquivalenten) Schlussgruppe und also einen kompletten Durchlauf durch die Rotation impliziert, folgt aus dem rotational inaktiven Status von R4 notwendigerweise der Schlussgruppenstatus der S3:\DE, da sich andernfalls das größere Problem einer unvollständigen Zonengliederung ergibt. Die Reprise wäre in solchen Fällen also nicht nur durch die fehlenden R1:\C-Module unvollständig, sondern würde schlichtweg über keine Schlussgruppe verfügen.

Für den Konzertsatz des frühen 19. Jahrhunderts erweist sich diese Deutung jedoch als problematisch, weil sich spätestens mit Johann Nepomuk Hummels a-Moll-Konzert op. 85[59] – kein Konzert wurde zwischen 1825 und 1834 häufiger aufgeführt[60] – eine grundlegende Veränderung der strukturellen Rolle der Schlussperiode abzeichnet: Während die S3:\DE bei Mozart ebenso wie später bei Dussek und Cramer in aller Regel eine identische oder lediglich leicht variierte Wiederholung der S1:\DE darstellt und damit rotational aktiv ist, entwickelt sich die Schlussperiode nach 1800 zu einem thematisch wesentlich freieren Formteil. Häufig ist die Schlussperiode dabei in S1 und S3 mit gänzlich unterschiedlichem Material ausgefüllt, um dem Solisten in der Reprise nochmals Raum zur Präsentation neuer virtuoser Spielfiguren zu geben. Beispiele für eine derartige Substituierung der S1:\DE in S3 sind zahlreich und finden sich neben Hummels op. 85 und 89 etwa in Friedrich Kalkbrenners op. 61 und 127, Ignaz Moscheles’ op. 56 und 87, Carl Czernys op. 214 oder Henri Herz’ op. 87. Aus der Perspektive des Type-5-Modells führt die mit der Substituierung der Schlussperiode einhergehende großflächige Einführung von neuem Material in der Reprise zu einer Abschwächung des Rotationsprinzips als dem zentralen Sonatensatzparadigma – die S3:\DE bleibt also auf eine rein konzertante Funktion beschränkt und beteiligt sich nicht am Fortgang einer übergeordneten Rotation. Gleichzeitig folgt aus dieser Nicht-Rotationalität der S3:\DE ein ebenfalls problematischer Status der S1:\DE: Wenn jedenfalls die Einführung eines neuen Themas in R2 erst durch die Wiederaufnahme in R4 eine rückwirkende Integration in die rotationale Ordnung des Sonatensatzes erlaubt, dann zieht die Substituierung der DE in S3 zwangsläufig auch die Nicht-Rotationalität der S1:\DE nach sich. Da die Display Episode infolge ihrer gestiegenen Bedeutung für die Entfaltung von Virtuosität im Klavierkonzert um 1820 in aller Regel den längsten Formteil des jeweiligen Solos darstellt – Hummel selbst bezeichnet die Schlussperiode »im ersten Satz seines Klavierkonzerts a-Moll als ›Hauptpassage‹«[61] –, ist damit ein wesentliches funktionales Element der Soloexposition und der Reprise im Konzertsatz des 19. Jahrhunderts dem Rotationsprinzip entzogen.

Zu größeren formalen Problemen führt der nicht-rotationale Status der S3:\DE in solchen Konzerten, in denen das Schlusstutti ebenfalls mit neuem oder redundantem Material realisiert ist: Da R4 in solchen Fällen keine R1:\C-Module aufnimmt und also nicht als Schlussgruppe fungieren kann, müsste die Schlussperiode des Solos diese Funktion übernehmen, um wenigstens die Zonengliederung des Type-5-Modells aufrechtzuerhalten. In Fällen wie Hummels a-Moll-Konzert op. 85 jedoch führt das Aufeinandertreffen von nicht-rotationalem Schlusstutti und DE-Substituierung – in der Schlussperiode des dritten Solos tritt unmittelbar eine neue Spielfigur mit markanten Doppelgriffen im Diskant auf (T. 429–30 und 433–434) – dazu, dass der Durchlauf durch die Rotation bereits unmittelbar nach dem S-Space mit dem Eintritt der neuen Schlussperiode endet (siehe Tab. 1a). Abgesehen von der Wiederaufnahme eines zweitaktigen S1:\DE-Partikels in den Takten 446–447 (vgl. T. 237 f.) besteht also der gesamte Post-ESC-Space der Reprise aus neuem, nicht-rotationalem Material und führt damit zu einer starken Aufweichung von Rotationsidentität und synthetischer Reprisenfunktion. Derartige rotationale non sequitur[62] im Post-ESC-Space finden sich auch in Henri Herz’ op. 87[63] und Carl Czernys op. 214[64] (Tab. 1b und 1c):

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Tabelle 1a: Formdisposition der Reprise in Johann Nepomuk Hummels Klavierkonzert a-Moll op. 85 (1816)

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Tabelle 1b: Formdisposition der Reprise in Carl Czernys Klavierkonzert a-Moll op. 214 (1831)

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Tabelle 1c: Formdisposition der Reprise in Henri Herz’ Klavierkonzert d-Moll op. 87 (1837); mit dem Begriff der Type 2 Sonata bezeichnen Hepokoski und Darcy Sonaten, in denen die Reprise mit Post-P-Material beginnt

Rotationsidentität und nicht-synthetische Reprise

Wie bereits weiter oben angedeutet, ist das für den Konzertsatz um 1820 charakteristische Ausbleiben einiger oder aller R1:\C-Module aus Sicht des Type-5-Modell deshalb problematisch, weil die modulare Vollständigkeit der Reprise eine zentrale Rolle bei der Realisierung ihrer synthetischen Funktion und damit bei der Annäherung des Konzertsatzes an den Sonatensatz spielt. Geht man jedenfalls davon aus, dass die Funktion der synthetischen Reprise primär in einer Lösung der konfliktären Anlage von R1 und S1 besteht, dann führt die Auslassung R1- oder S1+R2-spezifischer Module (d. h. solcher Module, die nur in R1 oder S1+R2 vorkommen) in der Reprise zwangsläufig zu Problemen bei der formalen Integration von Tutti und Solo: Das formale Primat des Sonatensatzes setzt eine Unterordnung der konfliktären Struktur von R1 und S1+R2 unter das Rotationsprinzip voraus, die sich vor dem Hintergrund einer nicht-synthetischen Behandlung singulärer Module schlichtweg nicht aufrechterhalten lässt.

Auslassungen R1-spezifischer Module

Im Konzertsatz des frühen 19. Jahrhunderts stellt die mit dem Wegfall rotationsspezifischer Module verbundene Aufweichung der Synthesefunktion das Kernproblem einer ›sonatisierenden‹ Konzertsatztheorie dar. Das Auftreten struktureller Ellipsen bleibt infolge der zunehmenden modularen Differenzierung von R1 und S1 nach 1800[65] nicht auf die weniger problematischen R1:\C-Module oder die Substituierung der Schlussperiode in S3 beschränkt.[66] Mit Ausnahme des S-Space, der im Gegensatz zu Mozarts Konzerten in aller Regel in R1 und S1 identisch ist[67] und in der Reprise nahezu immer vollständig erhalten bleibt, sind alle Formteile des Konzertsatzes in der Reprise gleichermaßen von strukturellen Kürzungen betroffen. R1-spezifische Module werden dabei, abgesehen von der regelhaften Substituierung der S1:\DE, deutlich häufiger fallen gelassen als interpolierte oder substituierte S1+R2-Module. Der Konzertsatz tendiert also insgesamt zu einer Präferenz des rotationalen Layouts von S1. Ein grundlegendes Problem hinsichtlich der rekapitulatorischen Vollständigkeit der R1-Module stellt die bei Dussek bereits frühzeitig aufkommende und im frühen 19. Jahrhundert als Standardschema fixierte Modulation innerhalb des Anfangstuttis dar.

Julian Horton hat diese Modulation in R1 in seiner Monographie zu Brahms’ Klavierkonzert B-Dur op. 83 bereits als wesentliche Abweichung von der meist monotonalen Anlage des Anfangstuttis bei Mozart herausgestellt und dem Type-5-Modell vor diesem Hintergrund ein »mismatch between theory and history« attestiert.[68] Auch Wingfield weist in seiner Rezension der Elements of Sonata Theory darauf hin, dass sich Mozarts Konzerte in dieser Hinsicht im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert als atypisch ausnehmen.[69] Für sich genommen, stellt die Modulation von R1 indessen keinen strukturellen Faktor dar, der dem Rotationsmodell der Type 5 Sonata grundlegend widersprechen würde: Zwar ist es richtig, dass das monotonale Anfangstutti durch die Fokussierung auf Mozart von Hepokoski und Darcy standardisiert wird;[70] gleichzeitig aber lässt sich das auch bei Mozart anzutreffende modulierende Anfangstutti mithilfe des Type-5-Modells mehr oder minder problemlos erfassen. Es handelt sich eher um eine Eigenheit der Konzerte Mozarts denn um eine notwendige Voraussetzung des Type 5. Die Modulation innerhalb von R1 ist aus Sicht des Type-5-Modells nicht deshalb kritisch zu bewerten, weil sie von Mozarts Standard abweicht, sondern weil sie durch die Einführung einer neuen Zone in R1 eine hinsichtlich der Synthesefunktion problematische strukturelle Veränderung mit sich bringt: Wenigstens in funktionaler Hinsicht findet die durch den tonikalen Eintritt im Solopart erzwungene Rückführung (R1:\RTr, Retransition) weder in S1 noch in der Reprise eine rotationale Entsprechung. In einigen Fällen wird dieses Problem dadurch reduziert, dass die Rückführung in R1 durch die Aufnahme von R1:\S-Modulen formal dem S-Space angenähert wird und damit in der Reprise nicht zu modularen Problemen führt – den locus classicus stellt die nach C-Dur gewendete Wiederholung des Seitensatzes in Beethovens op. 37 dar; ein ähnlicher Fall findet sich in Ries’ Klavierkonzert Es-Dur op. 42. Andere Komponisten eliminieren die potentielle formale Leerstelle in der Reprise durch die Besetzung von R1:\RTR mit Überleitungsmodulen aus R1 (J. B. Cramers first-level default), die in solchen Fällen in aller Regel auch im Verlauf der Reprise wiederhergestellt werden. Ein rotationales Problem resultiert jedoch aus der Rückmodulation des Anfangstuttis, wenn die R1:\RTR wie etwa im A-Dur-Konzert op. 34[71] von Henri Herz (T. 48–55) einen thematisch eigenständigen Formteil darstellt, in dem nicht auf vorherige Module des Anfangstuttis zurückgegriffen wird und der weder in S1+R2 noch in der Reprise in irgendeiner Weise wiederholt wird – die Rückführung lässt sich als singuläres Modul in diesen Fällen nicht ohne Weiteres in die Syntax des Sonatensatzes integrieren und wird damit als strukturelle Divergenz von Tutti und Solo in der Reprise keiner Synthese unterzogen.

In Herz’ op. 34 wird die synthetische Reprisenfunktion darüber hinaus bereits dadurch nahezu vollständig aufgelöst, dass das erste Solo abseits des S-Space komplett aus eigenständigem (Nicht-R1-)Material besteht, und sämtliche R1-spezifischen Module in der Reprise wegfallen: Dies betrifft neben R1:\RTR sowohl R1:\TR und R1:\C (= R1:\TR’) als auch das Hauptthema des Anfangstuttis (R1:\P), das in S1 durch ein neues Thema ersetzt und in der sologeführten Reprise ebenfalls vollständig ausgelassen wird. Eine Synthese der divergierenden Expositionsrotationen wird also nicht nur, wie im Falle fehlender R1:\C-Module, unvollständig realisiert, sondern gar nicht vollzogen. Es ist damit fraglich, inwieweit sich R1 überhaupt als Referenzrotation in die Sonatenstruktur integrieren lässt oder aber im Sinne Girdlestones[72] als formfremdes Eröffnungstutti zu klassifizieren ist. Darüber hinaus tritt in der Reprise von op. 34 das Non-Sequitur-Problem hinzu, dass sich einerseits das Schlusstutti durch die redundante Aufnahme von R1:\S nicht an der Fortführung der Rotation beteiligt und dass andererseits auch die Schlussperiode aus S1 in S3 vollständig ersetzt wird – die Rotationsidentität von R1, S1+R2 und abschließender Reprise wird also weitestgehend aufgelöst:

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Tabelle 2: Formdisposition des ersten Satzes von Henri Herz’ Klavierkonzert A-Dur op. 34 (ca. 1828)

Derartige großflächige Auslassungen R1-spezifischer Module in der Reprise und eine damit einhergehende Bevorzugung des rotationalen Layouts von S1 finden sich bereits frühzeitig in Cramers op. 51 (ca. 1813) und op. 56 (ca. 1815). In beiden Konzerten wird im ersten Solo zunächst sowohl im P-Space als auch im S-Space eigenständiges Material exponiert, ohne dass die entsprechenden R1-Module aufgegriffen werden. Im Es-Dur-Konzert op. 51 wird zwar in R4 der Seitensatz aus dem Anfangstutti im Sinne der Synthesefunktion wieder aufgegriffen; sowohl das R1-spezifische P-Modul als auch der gesamte Schlussgruppenbereich aus dem Anfangstutti werden jedoch in der Reprise fallen gelassen. Im E-Dur-Konzert op. 56 führt die starke Differenzierung von R1 und S1 dazu, dass eine synthetische Funktion von der Reprise faktisch nicht realisiert wird: Weder R1:\P noch R1:\S werden zu irgendeinem Zeitpunkt der S1-zentrierten Reprise wiederhergestellt und eine Synthese der Tutti-Solo-Divergenz damit nicht vollzogen. Gleichzeitig liegt mit der tonikalen Rückkehr des variierten R1:\P-Moduls am Ende des Anfangstuttis eine ternäre Gliederung in R1 vor (P-TR-S-RTR-P-C), die weder in R2 noch in R4 repliziert wird. Horton hat hinsichtlich der Genealogie des Konzertsatzes darauf hingewiesen, dass sich derartige ternäre Strukturen von R1 und die damit einhergehenden rotationalen Probleme bereits im späten 18. Jahrhundert bei Dussek, Field und Steibelt finden:[73] In Dusseks op. 14 etwa führt die divergierende Anlage von ternärem R1 (P-Tr-S-C1-RTR-P-C2) und binärem S1+R2 (P-Tr-S-DE-R2:\NEU) in der Reprise zum Wegfall der Post-EEC-Wiederholung von R1:\P;[74] gleichzeitig folgt hieraus der hinsichtlich der Synthesefunktion ebenfalls problematische Wegfall von R1:\C1 und R1:\RTr.

Auslassungen S1-spezifischer Module

Während eine vollständige Rekapitulation aller R1-Module im Konzertsatz um 1820 äußerst selten vorkommt, bleiben die primären solo-spezifischen Module in der Reprise in aller Regel intakt. Gleichwohl erweist sich auch der rotationale Status von S1 und S3 häufig als problematisch: Einerseits zeitigt die Substituierung der Schlussperiode in S3 die Einführung einer meist großangelegten nicht-rotationalen Zone in der Reprise und damit eine Aufweichung der Rotationsidentität von S1 und S3. Andererseits entwickelt sich auch die Solo-Überleitung zwischen erstem und zweitem Tonartenbereich zunehmend zu einer der Display Episode analogen Soloperiode, die in S1 und S3 mit gänzlich unterschiedlichem virtuosem Material gefüllt werden kann. Bezüglich des rotationalen Status der S3:\TR gilt es anzumerken, dass die Überleitung der Reprise bereits infolge der ausbleibenden Modulation notwendigerweise Änderungen gegenüber der S1:\TR erfährt. Eine vollständige Rekapitulation des Überleitungsmaterials ist also nicht zwingend zu erwarten – auch bei Mozart wird das gelegentlich am Anfang der S1:\TR interpolierte sujet libre in S3 nicht immer wieder aufgegriffen.[75] Während jedoch die Überleitung der Reprise im Konzertsatz Mozarts immer rotational aktiv ist – die Überleitung greift also in jedem Falle Überleitungsmaterial aus R1 oder S1 auf –, findet im Konzertsatz um 1820 eine Aufnahme von Überleitungsmaterial aus R1 in der Reprise auch dann nur äußerst selten statt, wenn die S1:\TR in S3 durch neues Material ersetzt wird. In Czernys a-Moll-Konzert op. 214 etwa führt die gänzliche Substituierung der S1:\TR in S3 (vgl. T. 112–121 und T. 356–370) bei gleichzeitiger Auslassung sämtlicher R1:\TR-Module dazu, dass die Überleitung der Reprise zu keinem Zeitpunkt rotational aktiv ist. Analog zur DE übernimmt sie eine primär solistisch-virtuose Funktion. Hinsichtlich der Rotationsidentität erweist sich dies umso problematischer, als in op. 214 mit der Substituierung der S3:\DE und der Besetzung von R4 mit neuem Material gleichzeitig ein Post-ESC-Non-Sequitur vorliegt (siehe Tab. 1b).

Die mit der Substituierung von S1:\TR und S1:\DE verbundene konzertante Tendenz zur Bildung themenfreier Soloperioden findet sich auch an anderer Stelle des Czerny-Konzerts wieder: Im S-Space von S1 interpoliert der Solist nach einer V:PAC in Takt 133 eine virtuose Passage zwischen dem neuen, vom Solo eingeführten Seitensatzthema S1:\S (T. 122–133) und der Aufnahme des Tutti-Seitensatzes R1:\S (T. 149–177). Diese Soloperiode wird als Paradefall konzertanter Divergenz an der Parallelstelle der Reprise aufgrund des Wegfalls von S1:\S nicht wiederholt und produziert damit eine modulare Leerstelle. Ebenso wie die ternäre Struktur des Anfangstuttis bei Cramer finden sich derartige Soloperioden ohne rotationale Funktion bereits im späten 18. Jahrhundert: Auch Dussek integriert im ersten Solo seines op. 14 zwischen der Aufnahme des Seitensatzthemas aus R1 (T. 147–154) und dessen Wiederholung (T. 179–186) eine virtuose Passage, die keine rotationale Funktion erfüllt und in der Reprise nicht wiederhergestellt wird.[76]

Horton hat bereits aufgezeigt, dass die syntaktische Ausweitung funktionaler Zonen eine zentrale Abweichung des postklassischen Repertoires von Mozarts Gattungsbeiträgen darstellt.[77] Wie auch im Falle des modulierenden Anfangstuttis stehen derartige Ausweitungen dem Type-5-Modell nicht per se entgegen. Es scheint also durchaus möglich, die Hinzufügung syntaktischer Einheiten trotz der Abweichung von Mozarts Konzerten schlüssig innerhalb eines rotationsbasierten Konzertsatzschemas zu beschreiben. Cramers Es-Dur-Klavierkonzert op. 10 etwa, in dem im Solopart im Seitensatzbereich von S1 analog zu Dusseks op. 14 und Czernys op. 214 eine Soloperiode zwischen R1:\S und dessen Wiederholung interpoliert wird, bleibt zwar durch die modulare Gleichheit von S1:\TR, der eingeschobenen Soloperiode und der S1:\DE hinsichtlich der Verortung der EEC ambig.[78] Der Satz ließe sich jedoch wenigstens insofern nach wie vor innerhalb des Type-5-Paradigmas erfassen, als die interpolierte Soloperiode durch die vollständige Wiederaufnahme im Reprisensolo als Teil der Rotationsordnung des Satzes lesbar ist[79] – die virtuose Ausweitung ist hier also rotational aktiv. Häufig aber geht die Tendenz zur Bildung themenfreier Soloperioden einher mit einer Tendenz zur Abschwächung der synthetischen Reprisenfunktion, weil die interpolierten Soloperioden, wie etwa in den Fällen von Dussek und Czerny, durch den Wegfall in S3 der rotationalen Ordnung entzogen werden.

Genealogie und Taxonomie

Die hier analysierten Fallbeispiele zeigen deutlich, dass die Konzertsatzform des frühen 19. Jahrhunderts in wesentlichen Bereichen dem von Hepokoski und Darcy aufgestellten Modell der Type 5 Sonata nicht entspricht. Hepokoski und Darcy gehen hinsichtlich der Annäherung des Konzertsatzes an den Sonatensatz bei Mozart davon aus, dass einerseits R2 und R4 durch die Aufnahme von rotational aktivem Material in eine larger exposition (S1+R2) bzw. eine larger recapitulation (R3→S3+R4) und damit also in die Makrostruktur des Sonatensatzes integriert werden. Andererseits lösen sie das bereits von Dahlhaus aufgeworfene[80] und aus der konzertanten Divergenz von erstem Tutti und erstem Solo resultierende Exterritorialitätsproblem der Doppelexpositionsstruktur, indem sie für den Mozart’schen Konzertsatz schlüssig eine synthetische Funktion der Reprise nachweisen: Modulare Differenzen von R1 und S1, die im ersten Solo durch Interpolationen, Substituierungen oder Auslassungen R1-spezifischer Module entstehen, werden also in der Reprise in eine gemeinsame Rotation überführt, so dass ihnen Expositionsstatus zugeschrieben werden kann. Die divergierende Anlage von Tutti und Solo erscheint damit lediglich als ein dem Tonartenkontrast analoger Konflikt, der in der Exposition aufgestellt und in der Reprise nivelliert wird.

Im Konzertsatz des frühen 19. Jahrhunderts aber wird eine derartige Annäherung des Konzertsatzes an die Sonatensatzform nicht kategorisch vollzogen: Die exterritorialen Tuttizusätze und insbesondere R4 werden häufig nicht-rotational behandelt oder beteiligen sich durch die Einführung neuer Themen oder die Aufnahme von redundantem Material nicht am Fortgang der vom vorangehenden Solo begonnenen Rotation. Darüber hinaus führt die großflächige Auslassung R1- und S1-spezifischer Module in Extremfällen wie Cramers op. 56 oder Henri Herz’ op. 34 zur vollständigen Auflösung der von Hepokoski und Darcy mit der modularen Vollständigkeit der Reprise verbundenen Synthesefunktion. Gleichzeitig finden sich in S1 und S3 durch die Einführung freier Solo- und Schlussperioden in nahezu allen Konzerten Formelemente mit primär solistisch-virtuoser Funktion, die aufgrund ihres nicht-rotationalen Status nicht ohne größere Probleme in einer sonatensatzorientierten Struktur aufgehoben werden können.

Wie bereits angedeutet wurde, geht die hiermit verbundene Auflösung der synthetischen Funktion der Reprise auf Tendenzen zurück, die ebenso wie die Modulation im Anfangstutti, der Verzicht auf die Solokadenz oder die Einführung einer lyrischen Episode[81] am Beginn der Durchführung bereits im späten 18. Jahrhundert im Umfeld Londoner Komponisten wie Johann Ladislav Dussek, Johann Baptist Cramer, Daniel Steibelt oder John Field angelegt sind und sich später bei Hummel und anderen ungebrochen fortsetzen. Ein Postulat der Type 5 Sonata als einer allgemeinen Konzertsatztheorie erweist sich dabei sowohl in genealogischer als auch in typologischer Hinsicht als fragwürdig: Einerseits zeigen Repertoireanalysen, dass Mozarts Konzerte ebenso wie die Gattungsbeiträge Beethovens[82] weder im späten 18. noch im frühen 19. Jahrhundert eine hinreichende Rezeption erfahren haben, um plausibel als allgemeine Idealtypen gelten zu können – bis 1800 lassen sich in London lediglich zwei Aufführungen Mozart’scher Konzerte nachweisen.[83] Ähnliches gilt für die Konzerte Beethovens im frühen 19. Jahrhundert.[84] Andererseits birgt die Einzeichnung eines Narrativs von Norm und Abweichung die Gefahr eines Rückfalls auf eine pejorative Sicht auf den Großteil der Konzerte des 19. Jahrhunderts: Sofern jedenfalls der Konzertsatz im Allgemeinen durch die rotationale Aufhebung der formfremden konzertanten Residuen in einer sonatensatzorientierten Struktur charakterisiert wird, so ist leicht zu ersehen, inwieweit nicht-rotationale Interpolationen und rekapitulatorische Leerstellen als ›fehlerhafte‹ Abweichungen von einer solchen Norm erscheinen können:

[T]he development of first-movement form in the early nineteenth-century piano concerto is to be construed as a complex web of transmission, in which the concerti of Mozart have a relatively limited impact before 1820.[85]

To critique Field’s [and others’; Anm. d. Verf.] concerti from a Mozartian perspective is thus to apply a paradigm that had minimal impact on the circumstances of their production, but which has been elevated ex post facto to the status of a universal principle.[86]

Der von Hepokoski und Darcy für das 19. Jahrhundert beschriebene Übergang von der Type 5 Sonata als einer modifizierten Sonatensatzstruktur zur Type 3 Sonata, vollzieht sich also nicht als eine lineare Entwicklung. Zwar finden sich auch im frühen 19. Jahrhundert Konzerte, die in aller Deutlichkeit eine ›Sonatisierung‹ der Form erkennen lassen; gleichzeitig aber führt die Ausweitung konzertanter Elemente im ›brillant-virtuosen‹ Gattungstypus trotz der weitgehenden Orientierung an einer dreiteiligen Makrostruktur von Exposition, Durchführung und Reprise in einem Großteil der Konzerte des 19. Jahrhunderts zu einer deutlich weniger stringenten Anwendung des Rotationsprinzips. Während etwa Beethoven in seinem dritten Klavierkonzert durch die thematische Angleichung der R1:\RTR an den Seitensatz oder das Vorziehen der Schlussgruppenmodule aus R42 vor die Solokadenz um ein »rapprochement to sonata form«[87] bemüht scheint, wird demgegenüber einem »loss of generic identity«[88] des Konzertsatzes in einem großen Teil der Gattungsbeiträge des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts durch die Schaffung neuer ›exterritorialer‹ Formteile entgegengewirkt. Abseits der kanonischen Gattungsbeiträge, die aus historischer Perspektive in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eher als Randphänomene denn als Idealmodelle in Erscheinung treten, lässt sich ein formales Primat der Sonatensatzform für das Solokonzert dieser Zeit also schlichtweg nicht behaupten. Und wenigstens sofern man es für sinnvoll hält, die Konzerte von Mozart und Beethoven auf der einen und diejenigen von Cramer und Herz auf der anderen Seite nicht als unterschiedliche Formen sui generis zu klassifizieren, scheint es notwendig, den Unterschied in der formalen Anlage nicht als kategorischen, sondern lediglich als graduellen zu begreifen. Anders ausgedrückt: Das kompositorische Kernproblem des Konzertsatzes besteht sowohl im späten 18. als auch im frühen 19. Jahrhundert im Sinne von William Caplin[89] und Wolfgang Osthoff in einer »Verschmelzung von Concerto-Prinzip […] und Sonatenform«[90] und also in der nicht weiter reduzierbaren Integration zweier gegenläufiger formbildender Prinzipien.[91] Und das »Sonatenkonzert«[92] stellt, ebenso wie der in struktureller Hinsicht wesentlich freiere Konzertsatz um 1820, lediglich eine mögliche kompositorische Lösung dieses Formproblems dar.

Anmerkungen

1

Davis 1983, 45.

2

Scherliess/Forchert 2016, Unterabschnitt »Das virtuose Konzert«. Auch bei Dahlhaus (2003, 581) heißt es im Zusammenhang mit Brahms’ Klavierkonzert d-Moll op. 15: »Eine Norm, der auch Brahms sich fügte, bestimmte, daß dem ersten Satz eines Solokonzerts die Sonatenform zugrundezulegen sei. So uneingeschränkt die Regel im 19. Jahrhunderts galt, so schwierig ist es, sie als begründet einzusehen.«

3

Vgl. Marx 1847, 439. Siehe hierzu auch Stevens 1974, 50.

4

Simon 1957; Stevens 1974; Caplin 1998; Reimer 1984.

5

Simon 1957, 111–118.

6

Dahlhaus 2003, 581 f. Siehe hierzu auch Simons Kommentar zur Funktion des Mitteltuttis: »For this [Mitteltutti] no parallel in sonata form can be found at all, and it has remained an embarrassment to analysts, since its contrast function is usually overlooked.« (Simon 1957, 112)

7

Prout 1895, 204.

8

Hein 2001, 210.

9

Simon 1957, 111.

10

Marx 1847, 439. Siehe hierzu Stevens (1974, 51): »[Marx] understands textural alternation not as a structural factor, but only as an element of instrumentation.«

11

Siehe hierzu auch Horton 2011, 52.

12

Hepokoski/Darcy 2006, 594.

13

Ebd., 443.

14

Ebd., 612. Zu einer allgemeinen Kritik des Rotationsbegriffs bei Hepokoski und Darcy siehe Wingfield 2008, 149 f.

15

Die Mittelzäsur bezeichnet einen Halbschluss meist in der Grund- oder Nebentonart (I:HC MC oder V:HC MC in Dursonaten), der die Exposition in zwei Hälften teilt (vgl. ebd., 23–50).

16

Essential Expositional Closure bezeichnet den ersten vollkommenen authentischen Ganzschluss (Perfect Authentic Cadence = PAC) in der Nebentonart (V:PAC in Dursonaten; III:PAC oder v:PAC in Mollsonaten), und markiert das Ende des Seitensatzes bzw. den Beginn der Schlussgruppe (vgl. ebd., 16–18).

17

Ebd., 17 und 611–614.

18

Ebd., 493.

19

Ebd., 451.

20

Siehe hierzu ebd., 445 und 577–581.

21

Siehe hierzu auch Taylor 2016, 91 f.

22

Wingfield 2008, 149–155. Siehe hierzu auch Neuwirth 2011, bes. 204 f.

23

Caplin 1998.

24

Siehe insbesondere Horton 2017, 41–142 sowie ders. 2011 und 2015.

25

Siehe Hepokoski/Darcy (2006, 431): »The first movements of later-eighteenth-century concertos are almost invariably built around the Type 5 idea.«

26

Siehe Wingfield 2008, 144; Horton 2011, bes. 47 und 81; Horton 2017, 78 f.

27

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ebenso geläufige wie problematische Kategorie des ›Virtuosenkonzerts‹ nicht deckungsgleich ist mit Konzerten, die sich einer Beschreibung durch das Type-5-Modell entziehen. Der vorliegende Beitrag ist gerade gegenläufig zu einer solchen Gleichsetzung darum bemüht, die gattungsgeschichtliche Entwicklung des Klavierkonzerts im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert nicht an ästhetischen Wertmaßstäben des 19. Jahrhunderts auszurichten, sondern einer formalen Betrachtung zu unterziehen.

28

Siehe Koiwa 2003, 7–33, bes. 26.

29

Die hier näher besprochenen Werke werden separat im Literaturverzeichnis unter Noten aufgeführt.

30

Zur Verwendung dieses Begriffs siehe Hepokoski/Darcy 2006, 445–447.

31

Ebd., 579.

32

R3→S3 bezeichnet eine orchestergeführte Reprise, in der das Reprisentutti (= R3) unmittelbar in das Reprisensolo (= S3) übergeht (vgl. ebd., 440).

33

Ebd., 548.

34

Ebd., 551.

35

Ebd., 596.

36

Ebd., 444 f.

37

Siehe hierzu ausführlich ebd., 555.

38

Vgl. ebd., 553–556. Partitur der Neuen Mozart-Ausgabe unter: https://dme.mozarteum.at/DME/nma/nma_pdf.php?c=dnNlcD0xNTMmcDE9MyZwMj0zNCZsPTEmdGl0bGU9Tk1BK1YlMkYxNSUyRjUlM0ErS1YrNDUzJTJGMDE=&cc=be5200a7f9d0742494cdc53e3bbd0f3f (6.6.2021).

39

Die Schlussperiode bezeichnet eine Passage virtuoser Prägung am Ende des ersten und dritten Solos (S1 und S3). Wird die DE wie im Falle von KV 453 durch eine V:PAC (bzw. III:PAC) vom S-Space abgegrenzt, fungiert sie in aller Regel als Teil der Schlussgruppe.

40

Siehe Hepokoski/Darcy 2006, 431.

41

Scherliess/Forchert 2016, Unterabschnitt »Entwicklung zum symphonischen Konzert«.

42

Hepokoski/Darcy 2006, 435.

43

Sofern eine Solokadenz vorliegt, zerfällt R4 in Kadenz- (= R41) und Schlusstutti (= R42) (vgl. ebd., 445).

44

Dussek 1809.

45

Ries 1880.

46

Hepokoski/Darcy 2006, 552.

47

Ebd.

48

Hepokoski und Darcy nehmen die Unterscheidung von rotationaler Inaktivität und Nicht-Rotationalität deshalb nicht explizit vor, weil bei Mozart keine Notwendigkeit hierfür besteht. Da ein nicht-rotationales Modul die Rotation per definitionem nicht vorantreiben kann und also immer rotational inaktiv ist, ist die Nicht-Rotationalität ein Sonderfall rotationaler Inaktivität.

49

Hepokoski/Darcy 2006, 468.

50

Ebd., 596.

51

Ebd.

52

Ebd., 493.

53

Für Post-MC-Module gilt das immer; für Prä-MC-Module nur dann, wenn es sich nicht um eine Type-2-Adaption handelt.

54

Die von Hepokoski und Darcy vorgenommene Unterteilung von Kadenz- und Schlusstutti (R41 und R42) fällt mit dem bereits bei Dussek anzutreffenden Ausbleiben der Solokadenz im Großteil der Konzerte des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts weg (siehe hierzu auch Buhr 2009, 2).

55

Cramer o. J.

56

Cramer ca. 1815.

57

Essential Structural Closure bezeichnet analog zur EEC in R1 und S1+R2 denjenigen vollkommenen authentischen Ganzschluss (I:PAC oder i:PAC), der das Ende des Seitensatzes bzw. den Beginn der Schlussgruppe markiert.

58

Siehe Anm. 39.

59

Hummel 2016.

60

Vgl. Koiwa 2003, 25 f.

61

Ebd., 64.

62

Der Begriff des non sequitur bezieht sich im vorliegenden Kontext ausschließlich auf die Rotationsordnung des Satzes und bezeichnet das Ausbleiben der von Hepokoski und Darcy unterstellten syntaktischen Folgerichtigkeit.

63

Herz 1837.

64

Czerny 1831.

65

Siehe hierzu auch Lindeman 1999, 88; Horton 2015, 99; Horton 2017, 83.

66

Auf die nicht-synthetische Behandlung von R2:\Neu wurde bereits hingewiesen. Im Gegensatz zu Mozarts KV 488 findet eine rotationale Integration neuer Themen aus dem Mitteltutti durch deren Wiederaufnahme in der Reprise um 1820 nur selten statt.

67

Vgl. Koiwa 2003, 43.

68

Horton 2017, 81.

69

Wingfield 2008, 144.

70

Ebd.

71

Herz o. J (ca. 1828).

72

Siehe Anm. 9.

73

Horton 2011, 65–70.

74

Vgl. ebd.

75

Vgl. Hepokoski/Darcy 2006, 527.

76

Siehe hierzu auch Horton 2015, 99 f.

77

Horton 2015, 85–90 und ders. 2017, 46–48.

78

Vgl. Horton 2015, 100–103.

79

Inwieweit der Satz aus anderen Gründen zu rotationalen Problemen führt, sei in diesem Zusammenhang dahingestellt.

80

Dahlhaus 2003, 582.

81

Der Begriff geht zurück auf Engel (1927, 163) und ist ursprünglich mit einer pejorativen Bedeutung konnotiert, die hier nicht zum Ausdruck gebracht werden soll.

82

Vgl. Lindeman 1999, 189.

83

Vgl. Horton 2011, 47. Siehe hierzu auch ders. 2017, 78.

84

Vgl. Koiwa 2003, 38.

85

Horton 2011, 81. Siehe hierzu auch Wingfield (2008, 144): »Mozart’s concertos appear not to have served as models for major early nineteenth-century composers.«

86

Horton 2011, 47.

87

Hepokoski/Darcy 2006, 443.

88

Horton 2017, 77.

89

Vgl. Caplin 1998, 243. Siehe hierzu auch Horton 2011, 52.

90

Osthoff 1965, 4.

91

Auch Dahlhaus merkt an, dass die Wirksamkeit des Concerto-Prinzips die Wirksamkeit des Sonatenprinzips unterwandert: »So legitim aber Abschweifungen in einer epischen Form wären, so problematisch sind sie in einer dramatischen, deren Formgesetz das Prinzip lückenloser Konsequenz ist.« (Dahlhaus 2003, 582)

92

Der Begriff wird etwa von Reimer 1984 verwendet.

Literatur

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Koiwa, Shinji (2003), Das Klavierkonzert um 1830. Studien zur formalen Disposition, Phil. Diss., Sinzig: Studio.

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Noten

Cramer, Johann Baptist (o. J.), Deuxième Concerto pour le Pianoforte avec Accompagnement de l’Orchestre op. 16, Klavierauszug, Leipzig: Breitkopf & Härtel. Digitalisat unter: https://ks4.imslp.info/files/imglnks/usimg/8/85/IMSLP398862-PMLP476926-Cramer_-_16_Piano_Concerto_No.2,_Op.16_-_BSB.pdf (6.6.2021)

Cramer, Johann Baptist (ca. 1815), Sixième Concerto pour le Forte-Piano avec Accompagnement d’Orchestre op. 51, Klavierauszug, Paris: Gaveaux. Digitalisat unter: https://ks4.imslp.info/files/imglnks/usimg/f/fb/IMSLP553532-PMLP645746-Cramer-Conc6-Piano.pdf (6.6.2021)

Czerny, Carl (1831), Premier Grand Concerto Pour le Piano avec Accomp. d’Orchestre op. 214, Klavierauszug, Paris: Richault. Digitalisat unter: https://ks.imslp.info/files/imglnks/usimg/3/34/IMSLP356007-PMLP432545-Czerny_-_214_Premier_Grand_Concerto_Op.214.pdf (6.6.2021)

Dussek, Johann Ladislav (1809), Second Concerto pour le Piano-Forte Oeuv. 14, Klavierauszug, Leipzig: Breitkopf & Härtel. Digitalisat unter: https://ks.imslp.info/files/imglnks/usimg/2/2b/IMSLP284941-PMLP462561-JLDussek_Piano_Concerto_in_F_major,_Op.14_parts_bdh3322742.pdf (6.6.2021)

Herz, Henri (o. J.), Grand Concerto pour le Piano-Forte avec Accompagnement d’Orchestre, op. 34, Klavierauszug, Amsterdam: H. C. Steep. Digitalisat unter: https://ks4.imslp.info/files/imglnks/usimg/e/ef/IMSLP12879-Herz_-_Piano_Concerto_-1,_Op.34.pdf (6.6.2021)

Herz, Henri (1837), Troisième Concerto pour le Piano avec Accompagnement d’Orchestre op. 87, Klavierauszug, Paris: Meissonnier. Digitalisat unter: https://ks4.imslp.info/files/imglnks/usimg/d/d4/IMSLP78177-PMLP157493-Herz_-_3._Concerto,_op.87_-_piano_solo_part0001.pdf (6.6.2021)

Hummel, Johann Nepomuk (2016), Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 85, Ausgabe für zwei Klaviere, hg. von Andrew Brownell, Leipzig: Breitkopf & Härtel.

Ries, Ferdinand (1880), Klavier-Konzert op. 55. Cis moll, hg. von Carl Reinecke, Leipzig: Breitkopf & Härtel. Digitalisat unter: https://ks4.imslp.info/files/imglnks/usimg/a/aa/IMSLP06328-Ries._Piano_Concerto_No.3.pdf (6.6.2021)

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