Fuhrmann, Simon (2025), »Die Dissonanzbehandlung in den Chansons von Gilles Binchois. Eine statistische Korpusstudie für den Satzlehre-Unterricht«, in: Tonsysteme und Stimmungen. 21. Jahreskongress der Gesellschaft für Musiktheorie Basel 2021 (GMTH Proceedings 2021), hg. von Moritz Heffter, Johannes Menke, Florian Vogt und Caspar Johannes Walter, 185‒198. https://doi.org/10.31751/p.339
eingereicht / submitted: 31/05/2022
angenommen / accepted: 20/01/2023
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 01/09/2025
zuletzt geändert / last updated: 05/09/2025

Die Dissonanzbehandlung in den Chansons von Gilles Binchois

Eine statistische Korpusstudie für den Satzlehre-Unterricht

Simon Fuhrmann

Obwohl die Chansons von Binchois eine gute Vorlage für Satzarbeiten im Musiktheoriestudium zum dreistimmigen Kontrapunkt der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts darstellen, wurden bisher aus analytischer Perspektive vorrangig nur deren Abschnitte mit Klauseln näher untersucht. Gerade die Dissonanzen im Binnensatz können jedoch bei den Studierenden zu Verständnisproblemen führen, weil diese auf den ersten Blick willkürlich gesetzt scheinen. Durch eine Korpusstudie wird aufgedeckt, dass Binchois auch sie nach wenigen bestimmten Modellen einsetzt. Aus allen Chansons, die sich stilistisch für eine Auseinandersetzung im Unterricht eignen, werden dabei sämtliche Dissonanzen gezählt und nach der kontrapunktischen Behandlung sowie den dissonierenden Intervallen aufgelistet. Es stellt sich dabei heraus, dass es neben den traditionell gelehrten Dissonanztypen drei weitere stilspezifische Behandlungsarten von Dissonanzen gibt, die zwar alle seltener als Durchgänge, aber häufiger als übergebundene Vorhalte vorkommen. Die Tabellen in dieser Arbeit geben einen Überblick, welche Dissonanz-Modelle Binchois in welcher Häufigkeit und mit welchen Intervallen verwendet. Unter Zuhilfenahme dieser Tabellen dürfte es den Studierenden leichter fallen, stilgetreue Satzarbeiten zu Binchois’ Chansons nicht nur in Hinblick auf die Klausel- und Satzmodell-Sektionen sondern auch auf den Binnensatz zu erstellen.

Although Binchois’ chansons are an ideal repertoire for creating exercises on early 15th-century counterpoint in music theory lessons, from an analytical perspective only those sections with clausulae or schemata have been researched in detail. The dissonances that appear in the inner sections of these chansons are especially prone to confuse students, as they seem to be placed arbitrarily at first glance. Through a corpus study, it is has been recognized that Binchois employed such dissonances according to a handful of distinct patterns. From a selection of chansons deemed suitable for music theory lessons, every dissonance was abstracted and listed by its type as well as its dissonant interval. It turns out that in addition to the dissonance types that have been traditionally taught, three more style-specific dissonance types exist, which are used less frequently than passing tones but more often than tied suspensions. With the help of the tables produced by this study, which present an overview of these dissonance patterns used by Binchois, as well as indications of their frequency and the specific intervals employed, it should become easier for students to create style copies closer to the idiom of Binchois’ chansons—not only with respect to the clausulae and schemata, but also to the traditionally more perplexing inner sections.

Schlagworte/Keywords: Chansons; Counterpoint; Dissonances; Dissonanzen; Gilles Binchois; Kontrapunkt

Dieser Artikel erscheint im Open Access und ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

This is an open access article licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License.