Erzberger, David (2020), »Der Klang der siebten Silbe«, in: ›Klang‹: Wundertüte oder Stiefkind der Musiktheorie. 16. Jahreskongress der Gesellschaft für Musiktheorie (GMTH) Hannover 2016 (GMTH Proceedings 2016), hg. von Britta Giesecke von Bergh, Volker Helbing, Sebastian Knappe und Sören Sönksen, 469‒480. https://doi.org/10.31751/p.23
eingereicht / submitted: 01/10/2017
angenommen / accepted: 01/10/2017
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 01/10/2020
zuletzt geändert / last updated: 26/03/2021

Der Klang der siebten Silbe

David Erzberger

Die im 16. Jahrhundert in Europa weitgehend universell eingesetzte Hexachordsolmisation stand im Laufe des 17. Jahrhunderts verstärkt in der Kritik und sollte um eine siebte Silbe ergänzt werden. Da Solmisationssilben stets mit bestimmten Klangcharakteren assoziiert wurden (u.a. bei Agricola 1533), stellt sich die Frage nach dem etwaigen Klangcharakter einer siebten Silbe. Die Klangcharaktere der Solmisationssilben definieren sich, wie auch die Solmisationssilben selbst, durch eine jeweils konkrete Position im diatonischen Raum. Da der Hexachord stets nur einen Teil des diatonischen Raumes beleuchtet, überschneiden sich die Definitionen, wie auch die Klangcharaktere von je zwei Solmisationssilben. Außerdem kommen die der Diatonik inhärenten Intervalle der übermäßigen Quarte und verminderten Quinte im Hexachord nicht vor, die siebte Silbe hingegen trägt das harmonische und melodische Potential der übermäßigen Quarte und verminderten Quinte in sich. Dies kann eine mögliche Erklärung dafür sein, warum sie in der Hexachordsolmisation ausgespart, jedoch im Zuge der Entwicklung der Musiksprache im 17. Jahrhundert als fehlend empfunden wurde.

Hexachord solmisation, which was used almost universally throughout Europe in the sixteenth century, came under increasing criticism in the seventeenth century, with theorists advocating the addition of a seventh syllable. The widespread association of specific solmisation syllables with specific sound qualities (e.g., in Agricola, 1533) raises the question of the sound quality of a seventh syllable. A solmisation syllable is defined by its unique position in the diatonic scale, which in turn leads to its inherent sound quality. As the hexachord takes into consideration only part of the diatonic scale, the definitions as well as sound qualities of some solmisation syllables overlap. Moreover, the augmented fourth and diminished fifth, though inherent in the diatonic scale, are absent from the hexachord. The seventh syllable, however, strongly connotes the augmented fourth and diminished fifth – a possible explanation for its absence in hexachordal solmisation until the evolving musical language of the seventeenth century found it missing.

Schlagworte/Keywords: Dur-Moll-Tonalität; Hexachord; hexachord; leading tone; Leitton; major-minor tonality; Modalität; modality; Solmisation; solmisation

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