Heidloff, Guido (2006), »Form in der Musik des 15. Jahrhunderts. Josquin Desprez’ Missa La sol fa re mi«, Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 3/1, 27–54. https://doi.org/10.31751/223
veröffentlicht (Onlineausgabe) / first published (online edition): 01/01/2006
zuletzt geändert / last updated: 01/12/2008

Form in der Musik des 15. Jahrhunderts

Josquin Desprez’ Missa La sol fa re mi

Guido Heidloff

Der Paradigmenwechsel von der ›sukzessiven‹ zur ›simultanen‹ Kompositionsweise im 15. Jahrhundert änderte auch das Verständnis musikalischer ›Form‹ grundlegend. Die immanent musikalischen Mittel, durch welche ›Form‹ hervorgebracht werden konnte, waren jedoch sehr begrenzt. Anhand der Missa La sol fa re mi von Josquin Desprez und ihrer engen Beziehung zur Missa Mi mi von Johannes Ockeghem wird exemplarisch dargestellt, wie Josquin durch den Rückgriff auf ›außermusikalische‹ Strategien wie zahlensymbolische Proportionierung und ›musikalische Intertextualität‹ dieser Problemstellung begegnet und eine formale Konzeption für den Messezyklus entwickelt.

Schlagworte/Keywords: 15. Jahrhundert; 15th century; Analysemethoden; Josquin Desprez; methods of analysis; Missa La sol fa re mi; musical form; musikalische Form

Probleme der Analyse

Methodische Überlegungen zur Analyse von Musik der Renaissance stellen immer noch ein musiktheoretisches Desiderat dar. Während im Falle späterer Stilepochen auf eine ganze Reihe unterschiedlicher methodischer und theoretischer Ansätze zurückgegriffen werden kann, scheinen die Möglichkeiten einer analytischen Annäherung an die Musik vor 1600 deutlich eingeschränkt. Lange Zeit war die musikwissenschaftliche Forschung vorwiegend daran interessiert, die Musik jener Zeit musik- und kulturgeschichtlich zu verorten. Analyse zielte in diesem Zusammenhang auf bestimmte Einzelaspekte, beispielsweise auf das Imitationsverhalten oder die Dissonanzbehandlung, und betonte meist deren ›antizipatorische‹ Bedeutung hinsichtlich der Musik nachfolgender Epochen. Erst in den letzten Jahren ist ein stärkeres Interesse erkennbar, die Renaissancemusik aus ihrem eigenen historischen Kontext heraus zu verstehen.

In den Werken der Renaissance etwas zu hören oder zu erkennen, was außerhalb des Erfahrungshorizontes des zeitgenössischen Rezipienten lag, stellt prinzipiell eine Gefahr dar. Für uns selbstverständliche, im Rahmen einer herkömmlichen Analyse tonaler Musik gemeinhin nicht weiter hinterfragte Konzepte und Begriffe wie ›Harmonik‹ oder ›harmonische Funktionen‹, ›Akkord‹, ›Imitation‹, ›Thema‹, ›Motiv‹ etc. bedeuten oft einen begrifflichen Anachronismus. Andererseits ist der Versuch, sich streng historisch ausschließlich an die zeitgenössische Begrifflichkeit zu halten, nicht minder problematisch. Aus ihm folgt in letzter Konsequenz eine Beschränkung auf ausschließlich jene Aspekte, welche auch von der zeitgenössischen Musiktheorie behandelt werden. Intervallehre, Kontrapunktregeln, Modustheorie, Hexachordsystem oder mensurale Proportionslehre gehören aber sämtlich einem vergleichsweise elementaren Bereich an. Sie bilden das musikalische ›System‹, auf dessen Grundlage die künstlerische Tätigkeit des Komponierens stattgefunden hat, und erklären nicht zwangsläufig diejenigen Aspekte, die für das Verständnis einer Komposition relevant sind.

Ich will mich im folgenden Josquins Missa La sol fa re mi aus der Verbindung zweier ›moderner‹ analytischer Ansätze nähern. Zum einen wird der Bedeutung von ›musikalischer Intertextualität‹ nachgegangen, zum anderen der der ›Zahlensymbolik‹. Die Untersuchung nimmt ihren Ausgang von den Konsequenzen, die der musikalischen Formbildung aus dem Übergang von ›sukzessiver‹ zu ›simultaner‹ Kompositionsweise erwachsen.

Sukzessive und simultane Kompositionstechnik

Die These eines Paradigmenwechsels von einer ›sukzessiven‹ zu einer ›simultanen‹ Kompositionsweise geht auf eine Interpretation der 1516 von Pietro Aaron veröffentlichten Libri tres de institutione harmonica durch Edward Lowinsky zurück.[1] Aaron unterscheidet zwischen einer älteren und einer neuen Kompositionsmethode. Die ›sukzessive Arbeitsweise‹ der älteren Komponisten besteht Aaron zufolge darin, eine zuerst geschriebene Stimme durch eine zweite zum ›Tenor-Diskant-Gerüst‹ zu ergänzen, im Anschluß den bassus zu konzipieren und schließlich mit dem alto die vierte Stimme hinzuzufügen. Demgegenüber zögen die neueren Komponisten von vornherein alle Stimmen gleichzeitig in Betracht. Als Vertreter dieser ›moderni‹ nennt Aaron Josquin, Obrecht, Isaac, Agricola und sich selbst. Während Lowinsky insbesondere die Analogie zur Entwicklung der Zentralperspektive in der Malerei hervorhob, stellte Bonnie Blackburn[2] gut 40 Jahre später einen Zusammenhang mit der Genese des ›modernen‹ Werkbegriffs in Abgrenzung zum improvisierten Kontrapunkt her. Bislang wenig Beachtung in der Forschung fand aber die Frage, welche Auswirkungen dieser Paradigmenwechsel in bezug auf die musikalische Formgebung hatte. Zunächst gilt es zu bedenken, daß ›Form‹ im 15. Jahrhundert nicht primär auf der Grundlage immanent musikalischer Mittel entstand: Sie ergab sich weder durch ›motivisch-thematische‹ Prozesse, noch durch ›harmonische‹ Verläufe im tonalen Sinne. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts bildete zumeist ein cantus firmus die konstitutive Grundlage des Komponierens. In ihm war die formale Gestalt der auszuführenden Komposition bereits vorgezeichnet. Mit dem Übergang von der sukzessiven zur simultanen Kompositionsweise verloren cantus firmus-basierte Kompositionen jedoch an Bedeutung. Der Verzicht auf einen cantus firmus machte es notwendig, die Formungsideen unabhängig vom Verlauf einer Vorlage zu halten. Simultanes Denken wurde damit nicht nur hinsichtlich des Kontrapunkts und der Dissonanzbehandlung, sondern auch der Formgebung wirksam.[3] Allein die Messevertonungen von Johannes Ockeghem legen hierfür ein beredtes Zeugnis ab. In nahezu jeder seiner Messen erscheint ein neuer kompositorischer Gedanke variiert[4], der immer auch Konsequenzen für die Formgebung mit sich bringt.[5]

Individualität von Form und Struktur ist ein deutliches Indiz dafür, daß die simultane Denkweise alle Momente der musikalischen Komposition erfaßte. So weist Christopher Reynolds in seiner Analyse von Josquins Plus nulz regretz nach, daß noch vor der ersten geschriebenen Note der Gesamtplan der Komposition detailliert ausgearbeitet gewesen sein muß.[6] Josquin orientierte die musikalische Formgebung nicht ausschließlich an der Gliederung der Textvorlage, sondern wich an einigen Stellen signifikant von ihr ab, um so Beziehungen zwischen einzelnen musikalischen Abschnitten herzustellen. Die Art der Bezüge macht deutlich, daß sie in Abhängigkeit voneinander – also simultan – entworfen worden sein müssen. Reynolds bezeichnet diesen ersten Arbeitsschritt als compositional planning.

Wie die Ausarbeitung eines solchen compositional plan vonstatten gegangen sein könnte, versucht Jesse Ann Owens anhand von zeitgenössischen Traktaten und überlieferten Skizzen zu rekonstruieren.[7] Die meisten dieser Kompositionsskizzen sind in einer Form angeordnet, die Owens quasi-score nennt. Dabei stehen, anders als im Chorbuch, die einzelnen Stimmen direkt untereinander, jedoch ohne exakte Zuordnung der rhythmischen Werte. Es kann also ausgeschlossen werden, daß die Stimmen als ›moderne‹ Partitur gelesen wurden. Auch geben die Skizzen in der Regel nicht ganze Stücke wieder, sondern nur einzelne Abschnitte, die jeweils separat ausgearbeitet wurden. Insbesondere Josquin scheint auf diese Art vorgegangen zu sein. Zu einer besonderen Eigenart seines Stils gehört das blockartige Wiederholen mehrstimmiger Abschnitte, wobei Stimmen oftmals vertauscht erscheinen, oder ›solmisationsgetreu‹ transponiert werden. John Milsom nennt diese Technik block repetition.[8]

Musikalische Intertextualität

Ein zur Zeit der Renaissance in seiner Bedeutung kaum zu überschätzendes Mittel, ›Form‹ hervorzubringen, bestand darin, sich an einer musikalischen Vorlage zu orientieren, diese zu kopieren, zu imitieren, zu zitieren oder in irgendeiner anderen Weise zu ›verarbeiten‹. Diese auch als musical borrowing bezeichnete Technik erlaubt die Probleme einer eigenständigen Formerfindung zu umgehen. Howard Mayer Brown[9] sieht hierin zunächst ein pädagogisches Konzept, bei dem der Schüler zur imitatio ermutigt wird, auf vorhandene formale Strukturen zurückgreift und diese ›neu füllt‹. Brown zufolge hat das Prinzip der imitatio, oder allgemeiner ausgedrückt, das Prinzip der musikalischen Intertextualität, über diesen pädagogischen Aspekt hinaus drei weitere wichtige Funktionen: Erstens stiftet es dort, wo weder ein cantus firmus noch eine Textvorlage die Grundlage für eine musikalische Gliederung liefern können, Kriterien für die zeitliche Organisation eines Stückes, zweitens kann es, je nach Wahl der Vorlage, als Hommage an einen anderen Komponisten gedeutet werden, und drittens verweist es damit verbunden häufig auf einen Wettstreit bei der Lösung kompositorischer Probleme.[10]

Um sicher zu gehen, daß es sich um ein intendiertes Zitat und nicht um eine zufällige Entsprechung handelt, fordert Brown, daß »the relationship between the model and the imitation is significant, that is, that a prominent theme in the model appears in a conspicuous place in the imitation, that the thematic material is individual enough for it to be recognized in a new context.«[11] Der Versuch, die verschiedenen Zitat-, Imitations- oder Allusionstechniken zu klassifizieren und begrifflich voneinander abzugrenzen, scheitert aber an der großen Vielfalt der einzelnen Verfahren. Zu vermuten steht, daß erst ein Bruchteil an intertextuellen Beziehungen aufgedeckt wurde, denn immer wieder treten neue Spielarten zutage.[12]

Zahlensymbolik

In Verbindung mit dem musical borrowing läßt sich häufig eine Strukturierung des musikalischen Verlaufs auf Grundlage der Zahlensymbolik beobachten. In der zeitgenössischen Literatur gibt es allerdings keine Hinweise darauf, ob überhaupt und in welcher Weise Zahlensymbolik eine Rolle in der Musik gespielt hat.[13] Christliche und pythagoreische Zahlensymbolik waren jedoch sowohl im Alltagsleben als auch in der Kunstanschauung jener Zeit tief verwurzelt.[14] Der Renaissance war die neuzeitliche, rein quantitative Dimension von Zahlen noch weitgehend fremd.[15] Zahlen hatten vielmehr immer eine Bedeutung, sei es eine spezifische oder eine arbiträre.[16] Willem Elders versucht, fest verankerte Symbolzahlen von solchen abzugrenzen, die die Relation von Zeichen und Bezeichnetem deutungsoffen lassen. Erstere nennt er ›Indices‹, letztere, bei denen der eigentliche Symbolgehalt kontextabhängig erschlossen werden muß, ›Symbole‹. Das ›Symbol‹ sei ein Zeichen, »das man lesen lernen muß. […] Das Symbol ist zugleich eine Brücke und eine Barriere zur Teilnahme an verborgenen Wirklichkeiten.«[17]

Eine wichtige zahlensymbolische Verschlüsselungstechnik ist die Gematrie, d.h. die Anwendung des Zahlenalphabets.[18] Abgeleitet aus der jüdischen Kabbala, ihrerseits eine esoterische Technik religiöser Schriftenauslegung, erscheint sie den modernen Wissenschaften suspekt: Wenn eine bestimmte Zahl in signifikanter Weise an verschiedenen Stellen einer Komposition vorkommt, dann gibt es zumeist unzählige Möglichkeiten, dieser Zahl auf der Grundlage des Zahlenalphabets eine Bedeutung zuzuschreiben. Elders versucht diese Beliebigkeit einzugrenzen.[19] Seine Argumentation gleicht derjenigen Browns.[20] So solle man prüfen, ob das Symbol nicht auch zufällig zustande gekommen sein könne, ob evtl. syntaktische oder strukturelle Unregelmäßigkeiten überhaupt auf einen bewußten Eingriff des Komponisten hindeuteten, ob deutliche Beziehungen zwischen Text und Symbol bestünden, ob die Lesart einer Komposition auf einer verläßlichen Quelle beruhe, ob die symbolische Zahl originär in der Musik enthalten, und nicht erst aufgrund von Addition oder Multiplikation oder anderer Rechenarten zustande gekommen sei, und ob die Zahlenbedeutung sich möglicherweise mit Hilfe zeitgenössischer Quellen belegen ließe.

Dabei ist ein weiterer, grundsätzlicher Kritikpunkt an der Zahlensymbolik noch gar nicht erfaßt: Zahlensymbolische Analysen, so ein oft geäußerter Einwand, unterschöben der Musik ein ›außermusikalisches‹ Ordnungsprinzip, bedeuteten eine ›musikalisch‹ nicht relevante ›Zugabe‹. Dem kann entgegnet werden, daß die auf Zahlensymbolik beruhenden Strukturen nicht schlicht ›unhörbar‹ sind, auch wenn das Klingende nicht bestimmt auf das zugrundeliegende Ordnungsprinzip verweist.[21] Die Aussage, zahlensymbolische Zusammenhänge berührten selbst dann, wenn sie intendiert seien, »nur periphere Bezirke des Kunstwerkes«[22] oder seien »Zahlenspielereien«[23], verkennt die Bedeutung und die Möglichkeiten zahlensymbolischer Techniken für die Generierung von Form.

Johannes Ockeghems Missa Mi mi als intertextuelle Vorlage

Sowohl hinsichtlich der musikalischen Zitate als auch der formalen Proportionen diente die Missa Mi mi von Johannes Ockeghem Josquins Missa La sol fa re mi[24] als Modell. Da die Art und Weise, wie Josquin seine Vorlage verarbeitet, aber alles andere als augenfällig ist, sei zunächst ein intensiver Blick auf Ockeghems Komposition geworfen.

Die Missa Mi mi[25] ist unter allen Messen Ockeghems wohl diejenige, die der Forschung am meisten Rätsel aufgibt. Ihr eigentümlicher Titel, die Tatsache, daß sich kein cantus firmus nachweisen läßt und sich keine kanonischen oder anderen kontrapunktischen Kunstfertigkeiten finden, macht sie immer wieder zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.[26] Das einzige musikalische Element, das als ordnendes Prinzip auszumachen ist, sind die ersten sechs Töne e-A-A-e-f-e im Bassus am Anfang des Kyrie, die einem Motto gleich zu Beginn eines jeden Satzes der Messe als exakte Wiederholung oder gering variiert wieder erscheinen.

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Beispiel 1: Ockeghem, Missa Mi mi, Kyrie

Wie Haruyo Miyazaki nachgewiesen hat, sind diese sechs Töne ein Zitat aus Ockeghems eigener Chanson Presque transi.[27] Neben dieser Tonfolge zitiert Ockeghem, ebenfalls im Bassus, noch eine zweite Stelle aus dieser Komposition.[28] Es handelt sich um die Töne c-d-e-e-d-c-H-A, die in der Chanson in Mensur (im folgenden: M.) 13 erscheinen und identisch rhythmisiert im Bassus des Kyrie der Missa Mi mi in M. 6 wiederkehren. Erstaunlicherweise sind es genau diese zwei Stellen im Kyrie der Missa Mi mi, auf die auch Josquin in seiner Missa La sol fa re mi Bezug nimmt (s.u.).

Um im Detail aufzuzeigen, wie Josquin im Kyrie seiner Missa La sol fa re mi auf die Missa Mi mi von Ockeghem zurückgreift, müssen einige analytische Beobachtungen vorangestellt werden.[29] Das auffallendste verbindende Merkmal ist ein Zitat im Kyrie II der Missa La sol fa re mi, welches Browns Forderung entspricht, ›that a prominent theme in the model [has to appear] in a conspicuous place in the imitation‹. Diese ›auffällige Stelle‹ ist der Schluß, genauer die letzten acht Töne des Kyrie II. Sie entsprechen exakt der Schlußwendung des Kyrie II bei Ockeghem.

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Beispiel 2: Josquin, Missa La sol fa re mi, Kyrie II

Die Besonderheit dieser beiden phrygischen Kadenzen besteht darin, daß durch den Quartsprung d-g (bei Josquin im Altus, bei Ockeghem im Tenor) die Penultima f der Tenorklausel im Bassus unterwandert wird, wodurch eine ›grundstellige Dreiklangsprogression‹ d-e entsteht. Eine entsprechende Kadenz konnte ich weder bei Ockeghem noch bei Josquin ein zweites Mal finden. Zur augenfälligen Ähnlichkeit trägt auch bei, daß beide Stimmen vor ihrem Quartsprung pausieren.

Daß diese Übereinstimmung zufällig sei, ist unwahrscheinlich, da die Pause bei Josquin gleichsam dem Zitat geschuldet wird: Das Kyrie II der Missa La sol fa re mi macht, wie auch die vorangehenden Sätze, ausgiebig Gebrauch von der für Josquin typischen Technik der block repetition. Während der Tenor durchgehend das Motto la sol fa re mi durchführt, entsteht in M. 8/9 ein block, der in M. 12/13 eine Quinte tiefer wörtlich wiederholt wird. In M. 15/16, bei der dritten Wiederholung, übernimmt der Superius die Altusrolle, der Altus hingegen schweigt plötzlich, um mit den bereits erwähnten letzten beiden Tönen d-g erneut einzusetzen. Abgesehen davon, daß sich diese letzten beiden Töne kaum sinnvoll textieren lassen dürften, ist die Pause weder kontrapunktisch noch anderweitig motiviert. Der Altus hätte ohne weiteres die Rolle des Superius im vierstimmigen Modell übernehmen können. Ein sinnvoller ›Grund‹ für die Pause kann nur darin gesehen werden, daß es sich hier um einen intertextuellen Baustein handelt und die Pause zusammen mit den letzten acht Tönen des Stücks ein bewußtes Zitat aus der Missa Mi mi darstellt.

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Beispiel 3: Josquin, Missa La sol fa re mi, Christe

Ein weiteres Zitat befindet sich im Christe der Josquinschen Messe. Es handelt sich um die letzten vier Töne A-e-f-e der Bassusinitiale der Missa Mi mi. In M. 15 resp. 18 kommt es zu der einzigen (hörbar) auffälligen Imitation des gesamten Kyrie, die sich nicht auf das la sol fa re mi-Motto bezieht: a-e'-f'-e' erscheinen zunächst im Tenor. Die Beantwortung des Altus in M. 18 überlappt den letzten Ton der Gruppe im Tenor. (Über die Plazierung der Imitation an genau dieser Stelle wird später noch zu reden sein.) Auch diese Stelle bildet als Ganzes, M. 15–21, in den drei Unterstimmen einen block, der ab M. 23 eine Quinte tiefer wiederholt wird, wobei Altus und Tenor ihre Rollen tauschen. Josquin vermeidet jedoch die exakte Transposition der Imitation: Der erste Ton der Imitation im Tenor, a in M. 15, müßte sein Pendant in einer Brevis d im Altus in M. 22 haben. Durch die Oktavversetzung dieses Tones macht Josquin die Imitation jedoch unkenntlich. Bleibt es dadurch bei nur einer ›regulären‹ Imitation, dann auch bei zwei mal vier, also insgesamt acht zitierten Tönen.

Würden nicht die beiden bereits diskutierten Zitate im Christe und Kyrie II einen deutlichen Bezug zur Missa Mi mi erkennen lassen, so könnte man bei dem folgenden Beispiel aus dem Kyrie I ins Zweifeln geraten.

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Beispiel 4: Josquin, Missa La sol fa re mi, Kyrie I

Josquin übernimmt hier nicht die exakte Tonhöhe und Stimmlage, sondern nur die äußere Disposition der Stimmen, den Rhythmus und den Melodieverlauf. Dieses Vorgehen wird hier ›graphisches Zitat‹ genannt:

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Beispiel 5: ›graphisches Zitat‹

Die ersten drei Töne des Altus in M. 6 der Missa La sol fa re mi,a-g-e im Tenorschlüssel, entsprechen den Superiustönen e'-d'-h in M. 6 der Missa Mi mi im Mezzosopranschlüssel. Desgleichen entsprechen die darauffolgenden Töne a'-g'-f'-e'-d' im Superius der Missa La sol fa re mi im Sopranschlüssel der Notation der Bassustöne e-d-c-H-A der Missa Mi mi im Baßschlüssel. Einiges deutet darauf hin, daß es sich bei diesen Entsprechungen nicht um einen Zufall handelt: Zum einen sind es – wie in den anderen Sätzen auch – genau acht Töne, die sich darüber hinaus in beiden Stücken in M. 6 finden, und schließlich ist die zitierte Stelle in Ockeghems Kyrie von besonderer struktureller Bedeutung: Es handelt sich um das Zitat aus Presque transi.

Alle drei Zitate beziehen sich auf markante Stellen in Ockeghems Kyrie. Das Zitat aus Presque transi erscheint im Kyrie I der Missa La sol fa re mi, die vier letzten Töne der Bassusinitiale, ebenfalls der Chanson entlehnt, bilden als Imitation das Zitat im Christe, und die Schlußwendungen beider Stücke sind inklusive der Pause identisch. Es gibt aber noch weitere Gemeinsamkeiten: Beide Messen tragen einen Titel, der sich aus Solmisationssilben zusammensetzt. Das ist sowohl im Werk Josquins als auch Ockeghems ein Unikum. Zudem bedienen sich beide Messen im Credo derselben Choralvorlage, was sich in einer auffälligen Ähnlichkeit der beiden Superiusstimmen niederschlägt. Zudem spielt die sechstönige Bassusinitiale aus der Missa Mi mi in der Missa La sol fa re mi auch über das angesprochene Zitat im Christe hinaus eine wichtige Rolle, denn Josquin greift auch an den Satzanfängen des Gloria und Credo, ebenfalls im Bassus, auf sie zurück.

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Abbildung 1: Josquin: Missa La sol fa re mi, Anfänge von Gloria und Credo im Bassus bei Petrucci

Im Credo ist die Tonfolge e-A-e, die ersten drei Töne der Bassusinitiale aus der Missa Mi mi, durch die schwarze Notation besonders hervorgehoben. Die letzten drei Töne e-f-e bilden den Anfang des Gloria im Bassus und bestimmen dessen Verlauf über die ersten 13 Mensuren hinweg.

Warum sind gerade diese sechs Töne aus dem Bassus der Missa Mi mi von so großer Bedeutung? Wenden wir uns erneut dem Kyrie I der Missa Mi mi zu. Nach Auszählen der Töne ergibt sich folgende Verteilung: Im Superius sind es 37 Töne, im Altus 44. Im Tenor zählen wir 32 und im Bassus mit seiner Initiale 35. Addieren wir die Töne der beiden Oberstimmen, erhalten wir 81 Töne. 81 ist die gematrische Zahl für Johannes.[30] Die Töne von Tenor und Bassus addieren sich zu 67. Eine mögliche gematrische Umsetzung der 67 ist das lateinische Wort virgo. Heikamp macht darauf aufmerksam, daß die Zahl 67 häufig im Zusammenhang mit einer marianischen Thematik erscheint, erwähnt aber auch, leider ohne Angabe der Quellen, daß diese Zahl ebenso mit dem heiligen Johannes in Verbindung gebracht werde: »virgo ist ein vielbenutztes Epitheton für den jungfräulichen Jünger, neben der asketischen Lebensweise auch den Glauben bezeichnend.«[31] Ob tatsächlich eine Verbindung zwischen 81 = Johannes und 67 = virgo besteht, darf offen bleiben, denn ein anderer, weitaus bemerkenswerterer Zusammenhang läßt sich aufzeigen.

Die ersten sechs Töne des Bassus kehren – wie bereits erwähnt – an jedem Satzanfang in der Missa Mi mi wieder. Sie lassen sich als ›extern‹, als dem Kyrie I nicht originär zugehörige Tongruppe interpretieren. Zieht man daraus den Schluß, die Initialtöne unberücksichtigt zu lassen, so ergeben sich nun im Tenor 32 und im Bassus 35 weniger 6, also 29 Töne. Zusammen sind dies 61 Töne. Die Zahl 61 ist die gematrische Summe des Namens Okeghem. Zunächst mag diese Deutung auf der Grundlage von 81 Tönen (Oberstimmen) = Johannes und 61 Tönen (Unterstimmen) = Okeghem spekulativ anmuten, doch gibt es weitere Anhaltspunkte, die diese These stützen.

Ein wichtiger Hinweis findet sich in einer weiteren Ordinariumsvertonung, der Missa Sicut spina rosam von Jacob Obrecht. Obrechts Messe bezieht sich an verschiedenen Stellen ebenfalls auf die Missa Mi mi von Ockeghem. Auch die sechs Töne der Bassusinitiale vom Anfang des Kyrie werden im Bassus zitiert.[32] Verfahren wir bei Obrecht analog, zählen die Töne des Kyrie (103), ziehen die sechs Initialtöne ab, so bleiben 97 Töne. 97 entspricht der gematrischen Umsetzung des Namens Jacob Obrecht. Obrecht ›zitiert‹ also gleichsam das gematrische Einschreibungsverfahren aus Ockeghems Missa Mi mi.

Es sei nochmals betont, daß hier nicht willkürlich sechs Töne ›ausgesondert‹ wurden, sondern daß es sich um die Töne jener Anfangswendung handelt, die jeden Satz der Missa Mi mi eröffnen und denen bereits als Eigenzitat aus Presque transi eine herausragende Stellung zugewiesen ist. Den deutlichsten Hinweis darauf, daß die gematrische Namenseinschreibung intendiert ist, aber liefert die berühmteste Quelle der Werke Ockeghems, der Chigikodex. Zwar gibt es unterschiedliche Schreibweisen des Namens Ockeghem, aber »wenn die Varianten ausgeschieden werden, die auf sprachlichen Verunstaltungen oder regionalen Besonderheiten beruhen, bleiben übrig Ockeghem und Okeghem«.[33] Teilt man den Namen in seiner Schreibweise ohne c in seine zwei Silben, so ergeben sich als Zahlenwerte 29 für Oke und 32 für ghem. Die Zahlen im Bassus (35 – 6 = 29) und im Tenor (32) entsprechen genau dieser Silbenverteilung. Für die große Sorgfalt, die bei der Entstehung des Kodex aufgewendet wurde, spricht neben den zahllosen Illustrationen und Miniaturen die Tatsache, daß der musikalische Hauptbestand der Handschrift aus der Feder eines einzigen Schreibers stammt, der mit der Musik Ockeghems sehr vertraut gewesen sein muß. Nahezu jede Messe ist überschrieben mit ihrem Titel und dem Namen ihres Verfassers. Auch auf der jeweils ersten Seite der Messen Ockeghems ist sorgfältig der Name des Komponisten verzeichnet. Die Schreibweise seines Nachnamens im Chigikodex stimmt in allen Fällen mit Ockeghem überein, nicht jedoch bei der Missa Mi mi. Ausgerechnet sie ist mit Okeghem, also ohne c, überschrieben.[34]

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Abbildung 2: Chigi-Codex, Okeghem, Beginn der Missa Mi mi

Ein Schreibfehler scheint von daher ausgeschlossen. Vielmehr darf hinter der abweichenden Schreibweise eine Absicht vermutet werden: Ockeghem schreibt in Gestalt der Zahl seinen Namen in der Missa Mi mi ein. Die so entstehende Proportion 61 = 29 + 32 wird nicht zuletzt durch die bereits angesprochene Imitation im Christe der Messe Josquins bestätigt: Das Kyrie der Missa La sol fa re mi erstreckt sich über eine Gesamtlänge von 61 Mensuren.[35] Diese sind unterteilt in 29 imperfekte Mensuren im Christe und 32 perfekte Mensuren in den beiden Kyriesätzen zusammen. Numeriert man die Mensuren des ganzen Kyrie von 1 bis 61, so steht die Imitation eben jener Bassustöne im Christe genau in M. 29 und M. 32.

Die Analogie reicht aber noch weiter: Auch Josquin signiert seine Komposition, und zwar in der Bassusstimme der beiden Außensätze der Messe. Diese enthält im Kyrie 99 und im Agnus 88 Töne, was der gematrischen Einschreibung von Josquin Desprez entspricht.

Daß drei Komponisten sich auf die Missa Mi mi beziehen und gleichzeitig ihre Namen gematrisch verschlüsseln, Ockeghem und Obrecht sogar auf die gleiche Weise, wirft ein neues Licht auf die Verfahren musikalischer Intertextualität. Musical borrowing geht hier über eine vordergründige Zitat- und Entlehnungstechnik hinaus. Neben einer versteckten Namenseinschreibung wird auch die Übernahme der Verschlüsselungstechnik selbst Gegenstand des Diskurses. Dies belegt, wie intensiv sich die Komponisten mit den Werken ihrer Kollegen auseinandergesetzt haben, und wenig spricht dafür, daß solche komplexen Konstruktionen in Musik gesetzt wurden, um dann nicht Gegenstand der musikalischen ›Kommunikation‹ zu werden. Sowohl Obrecht als auch Josquin haben offenkundig von der versteckten Signatur in der Missa Mi mi gewußt und mit ihren Kompositionen auf sie reagiert.

Die Missa La sol fa re mi von Josquin Desprez[36]

Die Zahlen der Missa Mi mi, die 67 Töne der Unterstimmen und die 61 (= 29+32) Töne der ›reduzierten‹ Zählung, bilden die strukturelle Grundlage für die Missa La sol fa re mi. Eine ganze Reihe an kompositorischen Entscheidungen, die die Proportionen und auffallende musikalische Details betreffen, ist unmittelbar auf dieses Verfahren zurückzuführen.

Der Titel der Missa La sol fa re mi geht auf das fünftönige Motto zurück, das in der ganzen Messe insgesamt 256mal erklingt. Ein wichtiges formbildendes Moment ist die Art und Weise, wie Josquin die Mottodurchführungen organisiert. Die folgende Tabelle zeigt das Auftreten des Mottos in den einzelnen Abschnitten der Missa La sol fa re mi:

Kyrie

Gloria

Credo

Sanctus

Benedictus

Agnus

36

31

67

58

26

38

67

67

2 x 29

2 x 32

134 (2 x 67)

122 (2 x 61)

256

Tabelle 1: Mottoverteilung in der Missa La sol fa re mi

Der erste Teil der Messe, bestehend aus Kyrie, Gloria und Credo, umfaßt insgesamt 134 Mottodurchführungen, die sich in zwei gleiche Gruppen (Kyrie + Gloria und Credo) von je 67 Teilen. Im zweiten Teil wird das Motto 122mal, also 2 x 61mal wiederholt. Diese 2 x 61 stehen im Verhältnis 29:32 bezogen auf die Sätze Sanctus und Benedictus + Agnus. Der Mottoverteilung der Missa La sol fa re mi liegen demnach exakt jene proportionalen Verhältnisse zugrunde, die aus der Missa Mi mi abgeleitet wurden. Die Verbindung zwischen den Zahlen 67 und 61, die bei Ockeghem durch Substraktion der ersten sechs Töne im Bassus entstand, spiegelt sich besonders in den 67 Mottowiederholungen des Credo wider. Im ersten, durch einen Doppelstrich deutlich abgetrennten Abschnitt Patrem omni potentem erklingt das Motto 6mal, ab Et incarnatus est bis zum Schluß noch weitere 61mal.

Josquin führt das Solmisationsmotto in allen drei Hexachordvarianten durch: Dies entspricht den Tönen d-c-b-g-a im hexachordum molle,a-g-f-d-e im hexachordum naturale und e-d-c-a-h im hexachordum durum. Darüber hinaus gibt es vor allem im pleni sunt coeli noch eine ›gemischte‹ Variante, die nach dem sol das Hexachord wechselt, also d-c-f-d-e oder a-g-c-a-h. Die Verteilung dieser vier verschiedenen la-sol-fa-re-mi-Versionen (beginnend auf a,d oder e und die gemischte Variante) ist jedoch ungleichmäßig. Die gemischte Variante und die des hexachordum molle werden zusammen lediglich 24mal wiederholt. Die wesentlich größere Gruppe bilden die hexachordum durum- und naturale-Gestalten mit zusammen 232 Wiederholungen. Auch in diesen Zahlen steckt die Proportion 29:32. Von den insgesamt 256 (32 x 8) Mottowiederholungen fallen 232 (29 x 8) auf die Hauptgruppe der hexachordum durum- und naturale-Gestalten.

Daß gerade die Hexachordvarianten die Hauptgruppe bilden, die mit den Tönen e und a beginnen, mag auch an der engen Verbindung zur Missa Mi mi liegen: e und a sind die beiden ersten Töne der sechstönigen Bassuseröffnung. Die häufige Verwendung dieser beiden Hexachorde hat zudem eine ganz eigenartige Konsequenz: Ein eindeutiger ›Gesamtmodus‹ der Messe ist nicht auszumachen, wie schon Helmuth Osthoff festgestellt hat. Osthoff spricht von einer ›tonartlichen Dualität‹ der ganzen Messe und glaubt, daß es Josquin darauf ankam, »auch von der tonartlichen Seite her der einer Ostinatomesse drohenden Gefahr der Monotonie wirksam zu begegnen«.[37] Während bei den einzelnen Schlüssen der phrygische Modus überwiegt, endet die gesamte Messe mit einer äolischen Kadenz. Sie eindeutig als Beleg des phrygischen oder des äolischen Modus verstehen zu wollen, ist wenig sinnvoll, vielmehr scheint Josquin mit dieser modalen Ambiguität die beiden ersten Töne des Mottos der Missa Mi mi zu reflektieren.

Auch die Stimmverteilung der einzelnen Abschnitte scheint in Beziehung zur Proportion 29:32 zu stehen. Bis auf zwei Ausnahmen ist die Messe durchgehend vierstimmig. Das in nomine ist dreistimmig, das Agnus II zweistimmig. In beiden Sätzen schweigt der Tenor und im Agnus II zusätzlich der Bassus. Ein eigenständiges Agnus III gibt es nicht, an seiner Stelle wird das Agnus I mit der abschließenden Textvariante dona nobis pacem wiederholt. Die beiden Osannasätze jedoch sind separat vertont; es wird also nicht, wie in allen anderen Messen Josquins, das Osanna I einfach wiederholt.

Die Aufteilung der einzelnen Sätze, so wie sie Petrucci vornimmt, ist uneinheitlich. Grundsätzlich werden die Abschnitte durch Doppelstriche voneinander getrennt. Vor dem Osanna I und vor dem Crucifixus jedoch stehen Fermaten, die besondere musikalische Einschnitte markieren. Doppelstriche und Fermaten führen zu einer großformalen Gliederung in 16 Abschnitte, die sich in zweimal 8 Abschnitte vom Kyrie bis einschließlich Credo und vom Sanctusbis zum Agnus teilen:

Erste Messenhälfte: 8 Abschnitte

Kyrie

Gloria

Credo

Kyrie I

Christe

Kyrie II

Et in terra

Qui tollis

Patrem

Et incarnatus

Crucifixus

Zweite Messenhälfte: 8 Abschnitte

Sanctus

Benedictus

Agnus

Sanctus

Pleni

Osanna I

Benedictus

In nomine

(3 St.)

Osanna II

Agnus I

Agnus II

(2 St.)

Tabelle 2: Gliederung der Missa La sol fa re mi nach Petrucci

Errechnet man für beide Messenhälften die Gesamtstimmenzahl (= Abschnitte mal Stimmenzahl) ergibt sich für den ersten Teil ein Wert von 8 Abschnitte x 4 Stimmen = 32,und für den zweiten Teil 6 x 4 Stimmen + 1 x 3 Stimmen + 1 x 2 Stimmen = 29,also wiederum 29:32 im Verhältnis von 2. Hälfte zu 1. Hälfte: Möglicherweise liegt hier der Grund für die beiden nicht-vierstimmigen Sätze.[38]

Kyrie I

Nicht nur die Gesamtanlage der Missa La sol fa re mi ist von den Zahlenverhältnissen geprägt, die Josquin aus Ockeghems Missa Mi mi übernommen hat, sondern auch deren Einzelsätze. Das Kyrie I läßt eine Analogie zur Mottoverteilung der ersten Messenhälfte (134 Mottos, aufgeteilt in 2 x 67, siehe Tabelle 1) erkennen. Teilt man es anhand seiner zeitlichen Symmetrieachse zwischen M. 7 und 8 in zwei gleich lange Abschnitte, so teilen sich auch die 134 Töne im symmetrischen Verhältnis 67:67. Dem entspricht auch das Verhältnis der Töne des äolischen ›Dreiklangs‹ a, c, e zu den übrigen Tönen d, f, g, h, ebenfalls 67:67. Den beiden Kriterien Symmetrie und ›Dreiklangstöne‹ werden wir in den anderen Sätzen wieder begegnen.

Betrachten wir das Kyrie I im Hinblick auf seine musikalische Struktur nunmehr genauer. Achtmal erklingen die fünf Töne la sol fa re mi, viermal im hexachordum naturale und viermal im hexachordum durum. Jeweils zwei Mottodurchführungen gehören zusammen und bilden so mit der Einsatzfolge Superius, Tenor und Bassus innerhalb von sechs Wiederholungen ein durchgehendes Band von Anfang bis zum Schluß des Kyrie I. Hierdurch entsteht eine Dreiteiligkeit (je 4 Mensuren + Schlußakkord = 14 M.), deren Bedeutung in der dreimaligen Wiederholung des Anrufs Kyrie eleison liegen dürfte. Dieser Einteilung entspricht der sukzessive Aufbau von der Zwei- bis zur Vierstimmigkeit mit dem Einsatz des Bassus. Die drei Mottoeinsätze sind bis auf eine Abweichung im Tenor in M. 8 rhythmisch identisch. Bei gleichbleibendem Rhythmus wäre hier das Schluß-mi des Tenor mit dem la-Einsatz des Bassus kollidiert. Diese Stelle fällt außerdem durch die äolische Binnenkadenz auf, welche das Stück in zwei Teile gliedert. Während im ersten Teil (M. 1–8) Altus und später der Superius zu den Mottodurchführungen frei kontrapunktieren, ist der vierstimmige zweite Teil (M. 9–14) mit dem Motto im Bassus komplexer. Auch hier kommt es zur block repetition, die diesen Abschnitt abermals in zwei Unterabschnitte gliedert. M. 9 und 10 werden in M. 11 und 12 wiederholt, wobei Altus und Tenor ihre Stimmen tauschen. Zunächst im Altus (M. 9), dann im Tenor (M. 11) erklingt zudem das Motto, eine Imitation andeutend. Auffällig sind dabei die Töne, die dem Motto in Altus und Tenor folgen. Josquin weicht hier von einer konsequenten Wiederholung ab und gibt dem Tenor sogar die recht ungewöhnliche Folge von zwei punktierten minimae. Kontrapunktisch gesehen besteht dafür kein Anlaß, die Vorlage im Altus (M. 10) hätte, ohne nennenswerte musikalische Einbuße, auch im Tenor funktioniert. Ein plausibler Grund liegt auch hier in der Notenverteilung: Die 134 Töne des Kyrie I verteilen sich auf 78 Töne im ersten (M. 1–8) und 56 Töne im zweiten Abschnitt (M. 9–14). Dieses Verhältnis spiegelt sich in der Anzahl der kurzen Notenwerte (mit Halsung) und der Anzahl der langen Notenwerte (ohne Halsung) von ebenfalls 78 zu 56 Tönen. Die Proportion zwischen ›äußeren‹ und ›inneren‹ Abschnitten beträgt ebenfalls 78:56. Ähnliches wiederholt sich in den folgenden Sätzen. Die Proportion 78:56 erscheint im Christe und die Kriterien lange/kurze Notenwerte und innere/äußere Abschnitte begegnen im Kyrie II.

Abbildung

Abbildung 3: Missa La sol fa re mi, Strukturdiagramm Kyrie I

Christe

Der Ablauf des Christeorientiert sich am Kyrie I. Der dreimalige Anruf Kyrie eleison hat sein Pendant in den drei thematischen Abschnitten des Basses, die hier das Christe eleison versinnbildlichen. Wie das Kyrie I wird auch das Christemit einem Bicinium in den Oberstimmen eröffnet (diesmal la sol fa re mi in Engführung), welches in der für Josquin typischen Weise nach einer vierstimmigen Überlappung von den Unterstimmen aufgenommen und wiederholt wird. Es mündet am Schluß leicht abgewandelt in eine erste äolische Binnenklausel (M. 15). Unmittelbar hinter dieser Klausel in M. 15/1 ist das Christe symmetrisch in je zwei Hälften von 14,5 M. zu teilen, was sich mit der musikalischen Gliederung deckt. Der nun folgende Abschnitt ist von der Imitation in den Mittelstimmen geprägt, die schon als Zitat aus der Missa Mi mi erwähnt worden ist. Ein letzter Abschnitt läßt sich ab M. 25/2 feststellen, wo die Schlußkadenz vorweggenommen wird, genau wie es auch schon im Kyrie I zu beobachten war.

Abschnitt 1

Abschnitt 2

Abschnitt 3

Abschnitt 4

M. 1–7

M. 8–15/1

M. 15/2–25/1

M. 25/2–29

Bicinium der Oberstimmen

Bicinium der Unterstimmen,

äolische Binnenklausel

Imitation zw. Tenor und Alt,

vorgezogene Schlußklausel

Wiederholung der letzten
3 tactus,

endgültige Schlußklausel

14,5 M.

14,5 M.

Tabelle 3: Missa La sol fa re mi, Übersicht Christe

Das Christe der Missa La sol fa re mi besteht aus insgesamt 142 Tönen. Diese Zahl ist wiederum eine Anspielung auf die Missa Mi mi und in dieser Anspielung liegt auch der Schlüssel zur symbolischen Struktur des Christe. 142 war in der Missa Mi mi die Anzahl der Töne des Kyrie I, nachdem die sechstönige Bassusinitiale abgezogen worden war. Was blieb, waren die 81 Töne der Ober- und die 61 Töne der Unterstimmen, zusammen 142, welche als gematrische Zahl für Johannes Okeghem gelesen werden konnten. Indem das Christe der Missa La sol fa re mi nun ebenfalls aus genau 142 Tönen besteht, zitiert es mit dieser Zahl auch implizit die Methode, wie die Zählung in der Missa Mi mi zustande gekommen war, nämlich indem die Bassusinitiale nicht mitgezählt wurde. Wie erwähnt, beinhaltet das Christe als Zitat aus der Missa Mi mi acht Töne, deren Herkunft genau jene Bassusinitiale ist. Lassen wir diese Zitattöne daher erneut unberücksichtigt, ergeben sich weitere Parallelen zum vorangegangenen Kyrie I der Missa La sol fa re mi. Die Anzahl der Töne des ›reduzierten‹ Christe entspricht mit nun 134 jener des Kyrie I. Auch die Aufteilung dieser Töne in die Proportionen 56:78 und 67:67 finden wir in diesem Satz wieder. Die Symmetrieachse, welche die 29 Mensuren des Christe in zwei gleiche Hälften von je 14,5 M. auftrennt, teilt die Töne im Verhältnis 56:78. Addiert man jedoch die beiden Oberstimmen (Superius: 37 + Altus: 30) und die beiden Unterstimmen (Tenor: 37 + Bassus: 30), erhält man je 67 Noten. Dasselbe Ergebnis von jeweils 67 Tönen ergibt die Addition der beiden Außenstimmen (Superius: 37 + Bassus: 30) und der beiden Mittelstimmen (Altus: 30 + Tenor: 37).

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Abbildung 4: Missa La sol fa re mi, Strukturdiagramm Christe abzüglich der acht Zitattöne

Kyrie II

Das Kyrie II ist strukturell der schematischste Teil des Kyrie. Dies hängt mit der block repetition zusammen, von der Josquin hier erneut ausgiebig Gebrauch macht. Ausgangspunkt der Komposition ist das durchgehende Mottoband, welches die 18 Mensuren von Anfang bis Ende durchzieht. Exemplarisch beginnt der Superius mit der dreimaligen Durchführung des Mottos, die daraufhin von den nachfolgenden Stimmen ohne Abweichungen übernommen wird. Seine Rhythmisierung entspricht genau der des Kyrie I, ist jedoch doppelt so schnell und durch ein drittes Erscheinen des Mottos erweitert. Auf diese Weise bilden sich Abschnitte von je drei Mensuren. Die ersten beiden dieser Abschnitte sind geprägt von der stetig ansteigenden Stimmanzahl. Der dritte Abschnitt (M. 7–9) ist der erste vierstimmige Abschnitt und wird von Josquin als Modell für die block repetition ab M. 11 und M. 14 genutzt. Die Abweichung dieses Modells im letzten Abschnitt (M. 14) wurde im Zusammenhang mit dem Zitat aus der Missa Mi mi und der dazugehörigen Pause im Altus schon erörtert. Um der Gefahr der Monotonie infolge einer Reihung von immer gleichen Abschnitten zu entgehen, bedient sich Josquin neben der sukzessiv zunehmenden Stimmanzahl des Wechsels zwischen den Hexachorden naturale und durum bei der Mottozuordnung. Dies hat zur Folge, daß sich, trotz des durchgehenden Mottobandes, keine der fünf dreimensurigen Abschnitte entsprechen. Dieser Ablauf erfährt mit M. 10 einen auffälligen Bruch: Im Tenor erklingt hier das einzige Motto, welches sich in seiner diminuierten Rhythmisierung deutlich von den anderen abhebt. Dazu tritt die einzige Unterbrechung des durchgehenden Mottobandes durch die ebenfalls im Tenor gesetzte halbe Pause. Diese Pause steht im Zusammenhang mit der äolischen Kadenz in M. 11: die einzige Kadenz mit Quintfall im Bassus im gesamten Kyrie. Josquin markiert durch diese Auffälligkeiten offenkundig einen wichtigen Abschnitt.

Die musikalische Struktur des Kyrie II ähnelt stark der des Kyrie I. Das betrifft die Rhythmisierung des Mottos, den sukzessiven Aufbau bis zur Vierstimmigkeit, den äolischen Anfang und den phrygischen Schluß. Ein besonderes Merkmal ist zudem das Motto, welches sich wie in Kyrie I auch in Kyrie II in Form eines Bandes durch das Stück zieht. Auch die Einteilung in Sinnabschnitte orientiert sich an den Kriterien, die auch für das Kyrie I gelten: Eintritt der Dreistimmigkeit in M. 4, der Vierstimmigkeit in M. 7, die auffällige Klausel in M. 11 und die zeitliche Symmetrieachse zwischen M. 9 und 10.

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Mottobehandlung im Kyrie I. Das Motto trat dort in zwei Zusammenhängen auf, einmal als durchgehendes Mottoband und zum anderen in Form einer Imitation zwischen Altus und Tenor. Wenn wir diese Mottoimitation im Kyrie I als einen Hinweis auf jene Imitation im Christe deuten, deren acht Töne wir bei der proportionalen Analyse nicht mitzählten, dann deutet das durchgehende Mottoband im Kyrie I auf jenes im Kyrie II hin und zeigt an, daß hier nun die Töne des durchgehenden la-sol-fa-re-mi-Bandes beim Zählen außer acht gelassen werden sollen. So spekulativ dieser Schritt zunächst erscheint, so überzeugend stellen sich seine Ergebnisse dar. Das Kyrie II besteht aus insgesamt 260 Tönen. Ohne die 80 Töne, die das Mottoband bilden, bleiben 180. Die Symmetrieachse zwischen M. 9/10 teilt auch die 180 Töne des ›reduzierten‹ Kyrie II wieder in zwei gleiche Hälften von 90:90. Wie im Kyrie I entspricht dieses Verhältnis auch der Unterteilung in ›äolische Dreiklangstöne‹ (a, c, e) und übrige Töne (d, f, g, h). Auch die äußeren und inneren Abschnitte stehen zueinander in diesem Verhältnis. Orientiert man sich an der Achse zwischen M. 6/7, die den Eintritt der Vierstimmigkeit markiert, so stehen ›links‹ von ihr 45 Töne und ›rechts‹ von ihr 135. Dieses entspricht mit 45:135 dem Verhältnis zwischen langen und kurzen Notenwerten (ohne bzw. mit Halsung).

Abbildung

Abbildung 5: Missa La sol fa re mi, Strukturdiagramm Kyrie II abzüglich der achtzig Mottotöne

Die Übereinstimmung in den Proportionen – die symmetrische Unterteilung entspricht einerseits der Notenanzahl ›links‹ und ›rechts‹ der Achse, andererseits aber auch derjenigen der äolischen ›Dreiklangstöne‹ zu den restlichen Tönen – ist sowohl im Kyrie I als auch im Kyrie II zu beobachten. Das gleiche gilt für die Achse, welche den Eintritt der Vierstimmigkeit markiert. Hier entspricht in beiden Sätzen das Verhältnis der Noten ›links‹ und ›rechts‹ der Achse auch der Unterteilung in lange und kurze Notenwerte. Auch wenn die Einteilung in ›äolische Dreiklangstöne‹ und Notenwerte mit/ohne Hals zunächst willkürlich erscheint, ist sie, da sie auf beide Kyriesätze angewendet werden kann, signifikant.[39] Während Kyrie I und Kyrie II im Hinblick auf ihre strukturellen Kriterien nahezu identisch sind und sich nur in bezug auf die Zahlen unterscheiden (man vergleiche die beiden Strukturdiagramme miteinander), verhält es sich beim Christe genau andersherum: Hier stimmen die Zahlen mit dem Kyrie I überein und die formale Struktur ist unterschiedlich. Hierin liegt ein weiterer Anhaltspunkt dafür, daß das Kyrie I die strukturellen Schlüssel zum Verständnis der beiden Folgesätze bereithält. Zahlen und Mottoimitation verweisen auf das Christe, Struktur und Mottoband auf das Kyrie II. Diese Verbindung zeigt, daß die Konzeption der einzelnen Satzteile des Kyrie simultan und nicht sukzessiv erfolgt sein muß, da die Strukturen und Proportionen von Christe und Kyrie II schon im Kyrie I angelegt sind.

Das Kyrie als Gesamtes

Ein Blick auf das Kyrie als Gesamtes untermauert diese These. Die drei Teile bestehen in der Summe aus 536 Tönen. Im Kyrie I und im Christe war die Zahl 67, die sich aus der Missa Mi mi ableitete, eine strukturell wichtige Zahl. Die 536 Töne des ganzen Kyrie lassen sich rechnerisch ebenfalls auf die Zahl 67 zurückführen: 536 = 8 x 67. In der ›reduzierten‹ Fassung haben wir im Christe 8 und im Kyrie II 80 Töne abgezogen, zusammen 88 Töne oder 8 x 11. Die übrigen 448 Töne lassen sich in 8 x 56 zerlegen, wobei auch die Zahl 56 im Kyrie I und im Christe von Bedeutung war. Der Faktor 8 spielt auf der Ebene des ganzen Kyrie eine besondere Rolle. Dies zeigt sich auch in den drei Zitaten aus der Missa Mi mi. Diese bestanden in jedem der drei Einzelsätze aus je 8 Tönen. Eine mögliche Bedeutung könnte in folgendem Zusammenhang liegen: Die 536 Töne des (vollständigen) Kyrie bestehen aus 24 zitierten Tönen und 512 eigenen Tönen. Die Zahlen 24 und 512 lassen sich auch als 8 + 8 + 8 und 8 x 8 x 8 darstellen. Vielleicht liegt hierin eine Anspielung Josquins auf die Zahl 888, die damals eine gebräuchliche Symbolzahl für Jesus gewesen ist.[40]

Um die zeitliche Symmetrieachse des ganzen Kyrie zu bestimmen, ist es nicht möglich, die Anzahl der Mensuren zu halbieren, da durch den Wechsel zwischen imperfektem und perfektem tempus die Dauer einer Mensur unterschiedlich ist. Um die Symmetrieachse zu bestimmen, muß man sich deshalb am tactus orientieren. Im tempus perfectum hat eine Mensur die Dauer von drei tactus, im tempus imperfectum diminutum entspricht eine Mensur einem tactus. Das Kyrie hat demnach eine Ausdehnung von 125 tactus und die Symmetrieachse teilt das Stück in zwei Hälften von 62,5 tactus. Sie befindet sich im Christe genau in der Mitte der M. 21. Wie in den Teilsätzen Kyrie I und II unterteilt auch die Symmetrieachse des ganzen Kyrie die 448 Töne der ›reduzierten‹ Fassung in zwei gleiche Gruppen von jeweils 224 Tönen.

Abbildung

Abbildung 6: Missa La sol fa re mi, Strukturdiagramm des gesamten Kyrie

Mit nochmaligem Blick auf Osthoffs These einer ›modalen Dualität‹, die nicht zugunsten des äolischen oder phrygischen Modus entschieden werden könne, erscheint bemerkenswert, daß die drei Teilsätze des Kyrie jeweils mit einer phrygischen Kadenz, Kyrie I und Kyrie II mit einem ›e-Akkord‹ und das Christe mit einem ›a-Akkord‹ enden. Zu dieser deutlich zum Phrygischen neigenden Disposition steht in einem gewissen Widerspruch, daß in den Sätzen Kyrie I und II nicht die ›Dreiklangstöne‹ des phrygischen, sondern die des äolischen ›Dreiklanges‹ sich in den strukturellen Zahlen widerspiegeln. Bezeichnenderweise lassen sich alle phrygischen Bestandteile der Missa La sol fa re mi in enge Beziehung zur Missa Mi mi von Ockeghem setzen. Auch die Schlußprogression e-a-e von Kyrie I, Christe und Kyrie II läßt einen eindeutigen Bezug zu den ersten drei Bassustönen der Missa Mi mi erkennen.

La sol fa re mi

Der Bezug auf die Missa Mi mi ist nicht der einzige prägende konzeptionelle Gedanke, den Josquin bei der Konzeption seiner Messe verfolgt hat. Von ebenso großer Bedeutung ist das Solmisationsmotto la-sol-fa-re-mi, welches sich nicht von der Missa Mi mi ableiten läßt und so einen eigenen, zweiten gematrischen Komplex begründet. Als erster hat Glarean über die Herkunft dieser fünf Tonsilben gemutmaßt: »Als derselbe Jodocus [i.e. Josquin] von einem gewissen hohen Herren eine Wohltat begehrte und dieser, der gern zögerte, in der verstümmelten französischen Sprache immer und immer wieder sagte ›Laise faire moy‹, d.h. ›Laß mich machen‹, komponierte er unverweilt nach diesen Worten eine ganze feine Messe: La sol fa re mi [...].«[41] Wer dieser ›hohe Herr‹ gewesen ist, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Obwohl Glarean den Ausspruch in Französisch wiedergibt, gibt es Indizien, die auf den italienischen Kardinal Ascanio Sforza hindeuten, in dessen Dienst Josquin von 1484 bis ca. 1499 gestanden hat.[42] Diese Vermutung läßt sich anhand der Mottoverteilung stützen.

Am Anfang des Christe erscheint das Motto nicht wie gewohnt in fünf Tönen, sondern wird durch eine sol-Antizipation auf sechs Töne erweitert. Dadurch entspricht die Anzahl der Töne, die Teil einer Mottodurchführung sind, nicht automatisch dem Fünffachen der Anzahl des Mottos. Im gesamten Kyrie erklingt das Motto 35mal in den Hexachorden naturale und durum. Aufgrund der Antizipationen im Christe entspricht dies der Anzahl von 179 Mottotönen. Die gematrische Umsetzung des kompletten Namens Ascanio Maria Sforza ergibt 59 + 40 + 80 = 179. Diese Zahlen entsprechen exakt den Mottotönen der einzelnen Sätze. Im Kyrie I 40, im Christe 59 und im Kyrie II 80. Auf diese Weise legt Josquin den Ausspruch ›laise faire moy‹ metaphorisch in den Mund Ascanios. Auch im Gloria läßt sich diese Beobachtung machen. Der Tenor des Gloria besteht ausschließlich aus der Tonfolge la-sol-fa-re-mi. Im ersten Teil sind es 59 Töne (= Ascanio), im zweiten Teil 80 (= Sforza).

Kann auch der Bezug zu Ascanio Sforza historisch nicht eindeutig belegt werden, so gibt es aber einen Hinweis auf diesen Bezug in Form einer italienischen Barzelletta mit dem Titel Lassa far a mi, die einem gewissen Serafino zugeschrieben wird. Serafino stand als Dichter eine Zeitlang zusammen mit Josquin in Diensten des Ascanio Sforza. Er schrieb für Josquin auch die Texte zu El grillo und In te domine speravi. Aus diesen Texten geht hervor, daß beide Künstler mit ihrem Dienstherrn öfters kleinere Streitigkeiten auszutragen hatten, wie es auch in der Anekdote um die Missa La sol fa re mi von Glarean berichtet wird. Daß Serafino mit der ›ganzen Geschichte‹ in Zusammenhang steht, könnte man aus dem Kyrie II mit seinen 260 Tönen herauslesen. Serafino hieß mit komplettem Namen Serafino de Ciminelli dall’ Aquila. Wenn man das Apostroph durch den apostrophierten Buchstaben a ersetzt, erhält man den gematrischen Wert von 260.

Vollzieht man die verschiedenen Ausgangspunkte und Verbindungen innerhalb des Kyrie nach, wird es möglich, die Entstehung und den kompositorischen Prozeß, das compositional planning, bis ins Detail zu rekonstruieren. Dabei wird deutlich, daß noch vor der ersten geschriebenen Note eine Reihe von strukturellen Entscheidungen gemäß der neuen ›simultanen Denkweise‹ getroffen wurde, welche die spätere Ausarbeitung bis ins Detail vorbestimmten. So lassen sich viele musikalische Besonderheiten wie die aufeinanderfolgenden punktierten minimae im Kyrie I, die Abweichungen innerhalb der block repetition im Christe wie im Kyrie II, die Mottoverteilung und die Stimmenanzahl der Abschnitte usw. vor dem Hintergrund der proportionalen Zusammenhänge plausibel machen.

Post scriptum

Der ›gematrische Wert‹ des Namens Josquin Desprez ist 99 + 88 = 187. Ein Vielfaches des Vor- und Nachnamens wie auch deren Differenz bildet die Zahl 11, die ein christliches Zahlensymbol für den Sünder darstellt. Wie gezeigt, signiert Josquin seine Missa im Bassus des Kyrie mittels 99 Tönen und im Agnus mittels 88 Tönen. Betrachtet man die Stimmaufteilung im Chorbuch, so erfolgt die Signatur analog zu der auf Gemälden der Zeit: in der rechten unteren Ecke der ersten und der letzten Seite. Addiert man die Töne aller Stimmen der beiden auf diesen Seiten befindlichen Sätze, 536 (Kyrie) + 553 (Agnus), erhält man zusammen 1089, was 99 x 11 entspricht: ›Josquin der Sünder‹. Die ganze Messe hat eine Ausdehnung von 935 tactus, 187 x 5, was ebenfalls als eine Art Signum interpretiert werden kann: 187 für Josquin Desprez und 5 für die fünf Töne la-sol-fa-re-mi.

Bei der Gliederung der Sätze Kyrie I und Kyrie II spielt eine Binnenkadenz eine wichtige Rolle. Im Kyrie I ist es die vorgezogene Schlußkadenz, im Kyrie II die einzige Kadenz mit Quintfall. Beide Kadenzen stehen jeweils in M. 11. Bis hierhin erhält man sowohl im Kyrie I als auch im ›reduzierten‹ Kyrie II genau 105 Töne. Dahinter verbergen sich die fünf Tonsilben la-sol-fa-re-mi: Nach dem Zahlenalphabet umgerechnet ergeben sie die Summe von 105. Addiert man im Kyrie I alle Töne auf den Stufen la-sol-fa-re-mi, so erhält man ebenfalls 105 Töne.

Die 29 Mensuren des Christe entsprechen dem gematrischen Wert der ersten Silbe des Namens Okeghem. Die drei Buchstaben O-k-e haben die Werte 14, 10 und 5, zusammen 29. Die Gliederung des Christe entspricht genau den Einzelwerten dieser drei Buchstaben. Nach 14 Mensuren kommt es zur ersten Kadenz und die einzige Imitation beginnt. Nach weiteren 10 Mensuren steht die Binnenkadenz, welche, wie auch im Kyrie I, eine Vorwegnahme der Schlußkadenz darstellt. Auch hier entspricht die Position der Binnenkadenz der Stelle, an der im Christe der Missa Mi mi der Schlußklang eintritt.

Eine Grundbedingung meiner Analyse war, daß bestimmte Töne nicht mitgezählt werden. Inwiefern Josquin diese gematrische Veschlüsselungstechnik weiterzuentwickeln weiß, zeigt ein Vergleich der Sanctus-Sätze beider Messen. Das Sanctus der Missa Mi mi beginnt wieder mit der Bassusinitiale von sechs Tönen. Im Sanctus der Missa La sol fa re mi hingegen fällt eine zweimensurige, scheinbar unmotivierte Pause direkt am Anfang des Tenors auf. Staunenswerterweise fügt sich die gesamte Bassusinitiale nahtlos in die entsprechende Pause im Sanctus der Missa La sol fa re mi ein. Beide Sanctussätze sind mit 27 Mensuren gleich lang, jedoch unterscheiden sie sich in ihrer ursprünglichen Tonanzahl: 339 Töne in der Missa Mi mi und 327 Töne in der Missa La sol fa re mi. Nach dem Abziehen bzw. Einfügen der sechs Töne stimmt die Tonanzahl beider Sätze mit 333 Tönen in 3 x 3 x 3 Mensuren überein: heilig, heilig, heilig!

Anmerkungen

1

Lowinsky 1946.

2

Blackburn 1987.

3

Charakterisiert Lowinsky die simultane Konzeption auch als einen Vorgang, bei dem »the several parts are not actually conceived as one, but each is calculated and conceived in its relation to the others« (Lowinsky 1948, 20f.) und bezeichnet mit dem Wort partsdie einzelnen Stimmen einer mehrstimmigen Komposition, so darf, faßt man den Vorgang des ›Zugleichdenkens‹ grundsätzlicher auf, dennoch vermutet werden, daß der Übergang von simultaner zu sukzessiver Kompositionsweise Entwicklungen mit sich gebracht hat, die über die im engeren Sinne ›satztechnische‹ Dimension hinausragten und die Formgebung betrafen.

4

Genannt seien Cuiusvis toni, Prolationum, L'homme armé, Mi mi, Quinti toni, Fors seulemont.

5

»Ockeghem's approaches are extremely varied, however, and cannot be easily generalized« (Strohm 1993, 472).

6

Reynolds 1987.

7

Owens 1997.

8

Milsom 2000.

9

Brown 1982.

10

So ist beispielsweise der berühmte vierstimmige Proportionskanon von Pierre de la Rue aus seiner Missa L’homme armé gewiß im Zusammenhang zu sehen mit dem als Agnus II an gleicher Stelle plazierten, allerdings nur dreistimmigen Proportionskanon in Josquins L’homme armé-Messe. Daß la Rue die gleiche Kanontechnik für sein Agnus II wählt, ist sicher als Hommage an die frühere Komposition Josquins zu verstehen, daß er ihn aber in der Stimmanzahl übertrifft, ist Zeichen eines kompositorischen Wettstreits. Das zeigt sich auch in der Anzahl der Töne: La Rues Kanon besteht aus genau 99 Tönen (99 ist der gematrische Wert für Josquin, s. u. im Haupttext). Josquins Kanon wiederum basiert auf der Chanson Ma bouche rit von Ockeghem, von der er das Anfangssogetto übernimmt (vgl. Reynolds 2004, 99).

11

Brown 1982, 14.

12

»The terminological difficulties repeatedly encountered in musicological writings on borrowing are unlikely to be resolved […]« (Hodgson 2004, 65).

13

Zur Auswertung zahlentheoretischer Quellen im 16. Jh. und ihrer Anwendung in der Musik vgl. Feldmann 1957.

14

»Überall in der Schöpfung begegnet dem Menschen die Zahl. Auch alle menschlichen Kunstwerke sind nach Zahlengesetzen gebildet. Hinter dem Schaffen der Hände und Werkzeuge steht im Künstler das innere Licht der Zahlenverhältnisse, durch welches die Werke zur Vollkommenheit gelangen können. [...] Am unmittelbarsten aber treten die Zahlen in Erscheinung in der Musik, der Geometrie und der Astronomie.« (Augustinus, De ordine II, zit. nach: Großmann 1954, 24)

15

»Genaueren Einblick aber in die Zahlenauffassung des 16. Jahrhunderts gestattet uns das Vorwort zur Neuausgabe der ›Arithmetika theologoumena‹ von Jamblichus, die 1543 als Dokument intensiver humanistischer Pythagoras-Tradition im Druck erschien. Hier ist mehr als einmal betont, um wieviel würdiger die ›divina numerorum ratio‹ sei, wenn auch die normale Rechenkunst im bürgerlichen Leben mehr angewendet würde.« (Feldmann 1957, 104)

16

»Der Lebenswert der symbolischen Erklärung alles Bestehenden war unschätzbar. Der Symbolismus schuf ein Weltbild von ungleich strengerer Einheit und innigerem Zusammenhang, als das kausal-naturwissenschaftliche Denken es zu geben vermag.« (Huizinga 1975, 291)

17

Elders 1989, 29 f.

18

Zur Verwendung verschiedener gematrischer Verfahren insbes. bei Josquin vgl. Heikamp 1966.

19

Elders 1994, 15.

20

Vgl. Anm. 11.

21

In diesem Punkt gibt es eine auffällige Übereinstimmung zu den historisch weitaus jüngeren Werken auf reihentechnischer Basis zu bemerken. Auch hier ist die ›Reihe‹ zwar Grundlage der Komposition, die reihenbasierten Werke jedoch verweisen in der Regel weder auf ihr diesbezügliches Substrat noch auf die einzelnen ›Verarbeitungstechniken‹, obwohl durch sie das Klingende hervorgebracht wird.

22

Finscher 1965, 228.

23

Laubenthal/Sachs 1996, 176.

24

Ein großes Problem, welches insbesondere die Auswertung zahlenbasierter Untersuchungen in einer Komposition betrifft, liegt in der Verläßlichkeit und Authentizität der zugrundegelegten Quelle. Sowohl die Analyse als auch die Notenbeispiele der Missa La sol fa re mi beziehen sich ausschließlich auf die erste Druckausgabe von Petrucci von 1502.

25

Daß der Name der Messe auf ihre sechstönige Initiale im Bassus zurückzuführen ist, deren erste zwei Töne e-A als mi-mi solmisiert werden könnten, ist von Carl Dahlhaus (1979) und zuletzt von Ross W. Duffin (2001) in Frage gestellt worden. Duffin sieht in dem Titel eher ein damals gebräuchliches Kürzel für den vierten Modus und macht darauf aufmerksam, daß die Missa Mi mi tatsächlich in den meisten Quellen schlicht als Missa Quarti Toni überliefert ist. Zudem listet Duffin eine Reihe anderer Kompositionen auf, die sich in irgendeiner Weise auf dieses sechstönige Motto beziehen, das sich offensichtlich zu damaliger Zeit einiger Beliebtheit erfreute.

26

Vgl. Fitch 1997.

27

Miyazaki 1985.

28

Miyazaki behauptet zahlreiche Übereinstimmungen zwischen der Missa Mi mi und der Chanson, die aber Murray Steib mit Ausnahme der beiden genannten Stellen sämtlich in Frage stellt, da sie nicht eindeutig genug als Zitate erkennbar seien (Steib 2004, 53 ff.).

29

Im folgenden bezeichnet das Wort Kyrie immer den Satzverbund aus Kyrie-Christe-Kyrie, wohingegen die einzelnen Abschnitte als Kyrie I, Christe bzw. Kyrie II bezeichnet werden.

30

Nach dem römischen Alphabet: a = 1, b = 2, c = 3…, i/j = 9…, u/v = 20 usw., vgl. Heikamp 1966.

31

Heikamp 1966, 132.

32

Obrecht übernimmt außerdem die komplette Bassusstimme des Kyrie I von Ockeghem, um sie seinem Agnus zugrunde zu legen.

33

Plamenac 1961, 1826.

34

Eine vollständige Abbildung des Kyrie der Missa Mi mi aus dem Chigikodex bei Finscher 1996, 216.

35

Ein kontrovers diskutiertes Thema betrifft die Mensurzählung bzw. die Frage, ob der Schlußklang mit seiner gesamten notierten Dauer mitgezählt werden soll oder nicht. Reinhard Strohm argumentiert, daß nur eine Zählweise exklusive der Schlußklänge Grundlage von proportionalen Kalkulationen sein kann, da er eine Analogie zur Architektur sieht, bei der nur die Maße der Räume zählen und nicht die Dicke der Mauern (Strohm 1985, 119). Letztlich läßt sich diese Frage aber nicht allgemeingültig beantworten. Es ist auch durchaus denkbar, daß beide Zählmethoden damals angewendet wurden. Zumindest gibt es für beide Ansätze Analysebeispiele, die zu vernünftigen Ergebnissen kommen. Als Argument für die eine oder die andere Zählweise kann daher lediglich die Signifikanz der Ergebnisse gelten. In der Missa La sol fa re mi habe ich die Schlußlonga bei der Mensurzählung berücksichtigt, da die sich daraus ergebenden Proportionen höchst sinnvoll und logisch sind.

36

Wichtige Anregungen zur nachstehenden Analyse verdanke ich meinen beiden Kollegen Frank Märkel und Castor Landvogt, ohne die dieser Artikel nie entstanden wäre. Dafür sei ihnen herzlich gedankt.

37

Osthoff schreibt dazu: »Wie die Schlüsse, aber auch die Anfänge zeigen, ist die Messe nicht auf eine einzige Tonart hin zentriert. Kyrie, Gloria, Credo und die Sanctus-Gruppe schließen phrygisch (E), beide Agnus-Sätze, dazu das Hosanna I dagegen äolisch (A).« (Osthoff 1962, 167f.)

38

Daß gerade diese zwei Abschnitte in verringerter Stimmenanzahl gesungen werden, ist sicherlich auch durch die Zahlen 2 und 3 als Symbolzahlen zu erklären. Die drei Stimmen des in nomine domini als die Versinnbildlichung der göttlichen Dreifaltigkeit, die zwei Stimmen des Agnus II als Symbolzahl für die Menschwerdung Gottes in Christus, als der zweiten Person der Trinität, ›der hinweg nimmt, die Sünde der Welt‹.

39

Sie scheint zumindest für Josquin nicht untypisch zu sein: vgl. Neuwirth 1982.

40

Die Symbolzahl 888 für den Namen Jesus ergibt sich aus der gematrischen Umsetzung seiner griechischen Schreibweise nach der milesischen Zählung: Ihsous = 10 + 8 + 200 + 70 + 400 + 70 =888 (vgl. Heikamp 1966, 130). Van Crevel macht darauf aufmerksam, daß diese Zahl schon von altersher den Namen Jesu symbolisiert: »The number 888 is the cabbala of the name Jesus. It was already known to the Gnostics and still known in Bach’s time.« (van Crevel 1960, XXIV)

41

Zit. nach Osthoff 1962, 36.

42

Vgl. hierzu v.a. Haar 1976, 564 und Blackburn 2000, 78.

Literatur

Blackburn, Bonnie J. (1987), »On Compositional Process in the Fifteenth Century«, Journal of the American Musicological Society 40, 210–284.

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